Die drei Musketiere
verschaffen, ob Bonacieux die Nacht zu Hause gewesen sei oder nicht, trat er ohne weiteres in dessen Stube und sah hier, daß das Bett unberührt war. Er glaubte nun bestimmt, daß Bonacieux nicht viel früher als er nach Hause gekommen sei und seine Frau, wenn nicht bis zu dem Ort ihrer Haft, so doch bis zur ersten Relais-Stelle begleitet habe... »So, mein lieber Herr Wirt, nun bin ich mir klar!« sagte er. »Mehr wollte ich nicht wissen; ich lasse mir jetzt von Planchet die Stiefel putzen; wenn's Ihnen recht ist, kann er Ihnen die Schuhe auch gleich mit abbürsten.«
D'Artagnan fand Planchet in heller Aufregung... »Oh, ein Glück, gnädiger Herr, daß Sie endlich da sind! Ich habe es gar nicht erwarten können, bis Sie wieder da waren.« – »Na, was ist denn los?« fragte d'Artagnan. – »Ich wette tausend gegen eins, Herr, daß Sie nicht erraten, was für Besuch inzwischen hier gewesen ist.« – »Wann denn?« – »Vor einer knappen halben Stunde, Herr.« – »Na, und wer war denn da?« – »Kein anderer als Herr von Cavois, Herr!« – »Der Kapitän der Leibwache des Kardinals?« – »Ganz recht.« – »Oho! der hat mich am Ende gar verhaften wollen?« – »Das habe ich gefürchtet, Herr, trotz der freundlichen Miene, die er schnitt.« – »Was hat er gesagt?« –
»Seine Eminenz möchten Sie sehr gern bei sich sehen, Herr!« –
»Na, na! Und was hast du geantwortet?« – »Es könne doch nicht
-253-
sein, weil Sie nicht da seien!« – »Und was sagte er darauf?« –
»Daß Sie ihm ja im Lauf des Tages Ihren Besuch machen
könnten; und nun sagte er, ich sollte Ihnen bestellen, Seine Eminenz sei sehr für Sie eingenommen, und von diesem Besuch könnte leicht Ihr ganzes Lebensglück abhängen.« – »Für den Kardinal ist die Falle nicht sonderlich geschickt«, meinte lächelnd der junge Mann. – »Mir ist's selbst auch schon so vorgekommen; darum sagte ich noch, Sie würden, wenn Sie heimkämen, es sicher sehr bedauern. Er fragte dann noch, wo und seit wann Sie fort seien; ich sagte ihm, Sie seien gestern abend nach Troyes in der Champagne geritten.«
»Planchet, du bist wirklich ein prächtiger Kerl!« rief d'Artagnan, »und damit du dem wackern Herrn gegenüber nicht zum Lügner wirst, wollen wir in einer Viertelstunde
aufbrechen.« – »Dazu wollte ich auch raten«, sagte Planchet.
»Sagen Sie mir bloß, wohin? Ich will schon dafür sorgen, daß wir, wenn's irgend geht, schon früher unterwegs sind.« –
»Schnüre unsere Mantelsäcke, Planchet!« befahl d'Artagnan.
»Ich gehe ruhig bis zur Gardekaserne, damit niemand Verdacht schöpft. Dorthin kommst du mir nach. Aber wir reiten in entgegengesetzter Richtung von der, die du Cavois genannt hast.
Ich denke, ein bißchen wird dir doch daran liegen, zu erfahren, was aus Grimaud, Mousqueton und Bazin geworden ist. Mich bedrückt's doch auch, was meine Kameraden Athos, Porthos und Aramis machen.«
D'Artagnan verließ zuerst die Wohnung, sprach aber, ehe er die Richtung zur Kaserne nahm, noch einmal in der Wohnung seiner drei Freunde vor, um nachzusehen, ob einer zurück oder von einem Nachricht da sei. Beides aber war nicht der Fall, bloß bei Aramis lag ein parfümiertes Billett auf dem Tisch, das d'Artagnan zu sich steckte. Zehn Minuten nach ihm kam
Planchet in die Gardekaserne. Damit keine Zeit verlorenging, hatte d'Artagnan sein Pferd schon selbst gesattelt, befahl aber Planchet, sobald er seinen Mantelsack aufgeschnallt hatte, auch
-254-
die drei anderen Rosse zu satteln. »Meinen Sie, daß wir mit zwei Pferden pro Mann schneller weiterkommen?«, fragte der Page mit dem ihm eigenen verschmitzten Lächeln. – »Nein,
Spaßvogel«, erwiderte d'Artagnan, »aber mit unsern vier Pferden dürften wir die drei Freunde, wenn wir sie noch am Leben antreffen, leichter nach Paris zurückbringen, als wenn sie neben uns her laufen müßten.«
Auf verschiedenen Straßen, der eine durch das Tor de la Vilette, der andere durch das Tor Montmartre, verließen sie Paris, um hinter Saint-Denis einander zu treffen: eine letzte List, die von beiden geschickt ausgeführt wurde und ihr bisheriges Verhalten mit dem schönsten Erfolge krönte, denn in Pierrefitte ritten sie zusammen ein. Bei Tage war Planchet allerdings mutiger als bei Nacht. Aber seine natürliche Klugheit verließ ihn keinen Augenblick. Von den Vorfällen der ersten Reise hatte er nichts vergessen und hielt jeden Menschen, der ihnen begegnete, für einen Feind. Ohne
Weitere Kostenlose Bücher