Die drei Musketiere
über den Unrechten hergemacht, bot Porthos den Arm und bat ihn, den Herrn d'Artagnan recht schön zu grüßen und ihm zu bestellen, das nächste Mal wolle er sich genauer erkundigen. Als er mir Herrn Porthos übergeben hatte, beglich er seine Zeche, stieg zu Roß und verschwand!«
»So, so? Also auf Herrn d'Artagnan war der Überfall gemünzt
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gewesen?« fragte dieser. – »Augenscheinlich.« – »Sie wissen nicht, was aus dem Fremden geworden ist?« – »Nein. Er hat sich nicht mehr sehen lassen.« – »Schön. Ich weiß nun, worauf es mir ankommt. Im ersten Stock also, sagen Sie, Nummer vier?« –
»Ich hätte das Zimmer schon zehnmal wieder vermieten können, denn, wie gesagt, es ist das beste im Hause.« – »Na, lassen Sie nur gut sein, zu Ihrem Geld werden Sie schon kommen, wenn nicht anders, durch die Frau Herzogin Coquenard!« – »Viel Hoffnung auf diese Quelle habe ich nicht; die Frau hat meinem Boten vielmehr gesagt, von ihr gäbe es keinen roten Heller mehr; jetzt hätte sie es endlich satt, und ihretwegen könnte Herr Porthos hängen oder kleben, wo er wolle!« – »Haben Sie diesen Bescheid Ihrem Gast gemeldet?« – »Ich werde mich hüten! Da hätte er doch gleich gewußt, wie sein Brief besorgt worden ist!«
– »Er wartet also noch immer auf Geld?« – »Freilich! Erst gestern hat er wieder geschrieben; aber diesmal hat der Postbote den Brief mitgenommen.« – »Nun, ich denke, sie wird wohl gelindere Saiten aufziehen, die Frau Coquenard; so sehr viel schuldig kann Ihnen übrigens Herr Porthos doch gar nicht sein?«
– »Nicht viel? Oho! An zwanzig Pistolen kommen schon
zusammen.« – »Nun, läßt ihn die Liebste sitzen, so ist er ja nicht ohne Freunde, die für ihn einspringen werden. Also lassen Sie es ihm nur an nichts fehlen, Herr Wirt!« – »Der gnädige Herr haben mir zugesagt, reinen Mund zu halten!« rief der Wirt d'Artagnan nach, der schon auf der halben Treppe war. – »Sie haben mein Wort!« antwortete dieser und klopfte an eine Tür, die durch eine Vier von mächtiger Größe kenntlich war. Porthos rief »Herein!« und d'Artagnan trat ein.
Der Freund lag im Bett und vertrieb sich die Zeit durch eine Partie Landsknecht mit seinem Pagen Mousqueton, während am Spieß sich ein halbes Dutzend Rebhühner drehte, auf dem großen Herd in zwei großen Pfannen ebensoviel Schleie
dufteten und aus der Herdröhre ein lieblicher Frikasseeduft die Nase kitzelte. Auf Schrank und Kommode standen ganze
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Batterien von Wein- und anderen Flaschen. Porthos begrüßte den Freund mit einem Freudenschrei; Mousqueton erhob sich respektvoll und trat an den Herd, um dem Gast seinen Platz am Bett des Verwundeten einzuräumen.
»Hallo, wieder da?« rief Porthos; »willkommen!
Entschuldigen Sie nur, daß ich Ihnen nicht entgegeneile. Aber«, setzte er hinzu, mit einem nicht eben selbstbewußten Blick auf den Freund, »Sie wissen, was mir widerfahren ist?« – »Nein.« –
»So hat Ihnen der Wirt nichts gesagt?« – »Ich habe mich bloß nach Ihnen erkundigt und bin gleich hinaufgeeilt.« – Es sah ganz so aus, als wenn Porthos sich um eine Zentnerlast erleichtert fühlte. – »Aber, mein lieber Porthos«, rief d'Artagnan, »was ist denn Ihnen widerfahren?« – »Das Knie habe ich mir verstaucht, als ich meinem Gegner mit einem vierten Degenstich den Garaus machen wollte, nachdem ich ihm schon drei in den Leib gejagt hatte.« – »Schändliches Pech!« – »Na, für meinen Gegner war's ein Glück, denn sonst wäre er tot auf dem Platz
geblieben.« – »Und was ist aus ihm geworden?« – »Kann's nicht sagen; weiß bloß, daß er genug hatte und wie ein begossener Pudel abzog.« – »Ich hätte mich aber doch längst nach Paris bringen lassen!« rief d'Artagnan. – »Das war freilich auch meine Absicht. Aber, mein lieber d'Artagnan, Sie wissen ja, ein Pech kommt selten allein. Während ich hier liege und meine
fünfundsiebzig Goldfüchse zähle, die ich Ihrer freundlichen Huld verdankte, jagt der Teufel einen Landsmann des Weges her, und mit dem eine Partie Landsknecht spielen und meine Goldstücke mitsamt dem Rappen verspielen, das war das Werk einer halben Nacht. Nun liege ich hier und warte!«
»In allen Dingen kann Fortuna einem nun einmal nicht hold sein, lieber Porthos! Sie wissen doch: Unglück im Spiel, Glück in der Liebe! Wer eine Herzogin zur Liebsten hat, der braucht für Morgen nicht zu sorgen!« – »Ach, mein lieber d'Artagnan«, klagte Porthos,
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