Die drei Musketiere
Leugnen nicht irremachen, und einer von ihnen wandte sich mit erheucheltem Ernst an den jungen Musketier: »Wenn es
wirklich so ist, wie du behauptest, dann müßte ich es von dir
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zurückverlangen, teurer Aramis, denn wie du weißt, ist Bois-Tracy ein Freund von mir, und ich leide nicht, daß aus Dingen, die seiner Frau gehören, Siegestrophäen gemacht werden.« –
»Das Tuch kann doch ebensogut aus deiner Tasche gefallen sein, mein Lieber«, sagte Aramis. – »Nein, auf Ehre, das nicht!«
rief der Gardist Seiner Majestät. – »Du schwörst bei deiner Ehre und ich bei meinem Wort. Also muß notwendigerweise einer von uns lügen. Halt, ein Einfall, Montaran, nehmen wir jeder davo n die Hälfte.« – »Von dem Taschentuch?« – »Jawohl.« –
»Wahrhaftig, das Urteil Salomos! Aramis, du bist wirklich der Weisheit voll!«
Die jungen Leute lachten hellauf, und die Affäre hatte, wie man wohl verstehen wird, keine weiteren Folgen. Ein Weilchen später ging die Unterhaltung zu Ende, und die drei Gardisten verabschiedeten sich von dem Musketier, dem sie herzlich die Hand drückten. Sie gingen ihres und Aramis seines Weges.
»Jetzt ist der Augenblick da«, dachte d'Artagnan, der sich während des letzten Teils der Unterhaltung abseits gehalten hatte, »mit diesem ritterlichen Mann Frieden zu schließen«, und er trat zu Aramis, der sich, ohne ihm weitere Aufmerksamkeit zu schenken, entfernte... »Sie werden mich hoffentlich entschuldigen, Herr«, sagte er. – »Ah, Herr«, unterbrach ihn Aramis, »Sie müssen sich schon sagen lassen, daß Sie sich bei diesem Vorfall nicht benommen haben, wie es einem galanten Mann zukommt.« – »Was, Herr, Sie meinen...« rief d'Artagnan.
– »Ich nehme doch an, daß Sie kein Tölpel sind, Herr, und, wenn Sie auch direkt aus der Gascogne kommen, recht gut wissen, daß man nicht ohne Ursache auf Taschentüchern
herumläuft! Teufel auch! Mit Batist ist doch Paris nicht gepflastert!« – »Herr, es ist nicht recht von Ihnen, daß sie mich decken wollen,« versetzte d'Artagnan, bei dem die angeborene Streitlust die friedlichen Vorsätze aufhob. »Ich bin allerdings aus der Gascogne, und da Sie das wissen, brauche ich Ihnen nicht erst zu sagen, daß die Gascogner nicht viel Geduld
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besitzen. Haben sie sich, sei es auch einer Dummheit halber, einmal entschuldigt, so meinen sie, schon um die Hälfte mehr getan zu haben, als notwendig gewesen wäre.« – »Was ich Ihnen darüber gesagt habe, Herr«, versetzte Aramis, »geschah keineswegs in der Absicht, Streit zu suchen. Gott sei Dank, ich bin kein Raufbold, und da ich nur vorübergehend Musketier bin, duelliere ich mich nur, wenn ich dazu gezwungen werde, und auch dann nur mit Widerstreben; diesmal aber ist die Sache ernst, denn eine Dame ist durch Sie kompromittiert worden.« –
»Durch uns, wollen Sie sagen!« rief d'Artagnan. – »Warum haben Sie die Taktlosigkeit begangen, mir das Taschentuch zu geben?« – »Warum ließen Sie es fallen?« – »Ich habe bereits gesagt und wiederhole, daß dies Taschentuch nicht aus meiner Tasche gefallen ist.« – »Nun, Sie haben damit zweimal gelogen, Herr, denn ich habe es doch aus Ihrer Tasche fallen sehen.« –
»Ah, Herr Gascogner, soll es in dieser Tonart gehen? Nun, ich will Ihnen Anstand beibringen.« – »Und ich, Herr Abbé, will Sie zu Ihrer Messe zurückspedieren. Ziehen Sie vom Leder, und zwar auf der Stelle!« – »Nicht doch, bitte, mein schöner Freund, wenigstens nicht hier. Sehen Sie nicht, daß wir uns gerade gegenüber vom Palais d'Aiguillon befinden, worin es von Kreaturen des Kardinals wimmelt? Wer sagt mir, daß nicht Seine Eminenz Sie mit der Aufgabe, ihm meinen Kopf zu
verschaffen, betraut hat? Nun, da mir mein Kopf ziemlich fest zwischen den Schultern zu sitzen scheint, liegt mir wahrlich nichts daran, ihn zu verlieren. Ich will Ihnen also ganz gern das Licht ausblasen, aber pianissimo, an einem heimlichen, stillen Ort, wo Sie sich Ihres Todes gegen niemand rühmen können.« –
»Mir schon recht, aber bauen Sie nicht zuviel darauf und nehmen Sie auch Ihr Taschentuch mit, mag es Ihnen gehören oder nicht. Vielleicht können Sie es ganz gut brauchen.« – »Der Herr ist Gascogner?« fragte Aramis. – »Ja. Der Herr verschiebt aus Klugheit kein Duell.« – »Die Klugheit, Herr, ist eine bei Musketieren ziemlich überflüssige, aber bei Leuten der Kirche
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unerläßliche Tugend; und da ich nur vorübergehend Musketier bin, so halte
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