Die drei Musketiere
d'Artagnan gewandt, »sapperlot! Wenn ich Sie umbringe, komme ich womöglich in den Geruch eines
Kinderfressers!« – »Vielleicht auch nicht«, antwortete d'Artagnan, ein Kompliment schneidend, dem es an gewisser Würde nicht mangelte, »vielleicht auch nicht, denn Sie erweisen mir ja die Ehre, sich mir trotz Ihrer schweren Wunde zu stellen!« – »Beschwerlich ist sie mir allerdings« versetzte Athos,
»und ich muß sagen, Sie haben mich nicht gerade mit
Seidenpfötchen angefaßt; aber ich werde die linke Hand nehmen, wie ich es immer zu tun pflege, wenn die rechte nicht in Ordnung ist. Meinen Sie nicht, daß ich Ihnen damit eine besondere Gnade erweise, denn ich bin auf beide Hände
dressiert und möchte im Gegenteil sagen, daß Sie auf diese Weise schlechter wegkommen; ein Linkshänder ist gegen einen, der bloß rechtshändig ist, allemal im Vorteil. Recht schade, daß ich Ihnen davon nicht schon früher Kenntnis gegeben habe.« –
»Sie erweisen mir wirklich so viel Höflichkeit, Herr«, erwiderte d'Artagnan, sich von neuem verbeugend, »daß ich mich gar nicht dankbar genug erweisen kann.« – »Und Sie, mein Herr«, versetzte Athos, »setzen mich in Verlegenheit; bitte, reden wir von etwas anderm, sofern es Ihnen, heißt das, nicht unangenehm ist... Ha, da zwickt's wieder! Sakrament, Sie haben mich doch hundsföttisch traktiert! Mir brennt die Schulter wie helles Feuer!« – »Sie erlauben vielleicht, Herr«, begann d'Artagnan schüchtern. – »Was denn, Herr?« – »Ich bin im Besitz einer Wundsalbe, Herr, die mir die Mutter mit auf den Weg gegeben hat und die ich schon an mir probiert habe... mit sehr gutem Erfolg.«
»Na, und?« – »Ich denke, die Salbe könnte Sie in knapp drei Tagen kerngesund machen, und wenn es Ihnen nichts
ausmacht e, Herr, dann ließe sich ja unser Handel bis dahin vertagen.«
D'Artagnan sprach mit einer Einfalt, die seiner Biederkeit
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Ehre machte, ohne seinem Mut Eintrag zu tun.
»Alle Achtung, Herr!« rief Athos, »ein Vorschlag, der mir gefällt, nicht, weil er mir gele gen kommt, sondern weil er auf eine Meile nach Edelmannssinn riecht... Mord und Brand!
Kommen denn diese Bummler noch nicht?« – »Wenn es Ihnen so eilig ist, mich abzutun«, sagte d'Artagnan wieder mit der gleichen Schlichtheit wie vorhin, »dann legen Sie sich, bitte, keinen Zwang auf!« – »Wieder eine Rede, die mir gefällt«, sagte Athos, indem er d'Artagnan huldvoll zunickte, »der junge Mensch ist wirklich nicht ohne Grips und ganz sicher ein Mensch, der das Herz auf dem rechten Fleck hat. Leute von Ihrem Schlage, Herr, sind nach meinem Geschmack, und ich merke, daß mir, falls wir einander nicht die Hälse brechen, noch manches Vergnügen aus Ihrer Unterhaltung erwachsen wird.
Warten wir bitte auf die beiden Herren; ich habe Zeit, und die Sache wird korrekt erledigt... Ach, da kommt, glaube ich, schon einer.«
Am Ausgang der Rue de Vaugirard kam wirklich der
riesenhafte Porthos allmählich in Sicht...
»Was?« rief d'Artagnan, »Herr Porthos ist Ihr erster Zeuge?«
– »Jawohl. Haben Sie etwas wider ihn einzuwenden?« – »Nein, durchaus nicht.« – »Ei, und da kommt auch Nummer zwei.« –
»Was?« rief d'Artagnan, sich nach der Seite drehend, wohin Athos zeigte, mit einem Ton, der noch erstaunter klang als das erstemal, »Ihr zweiter Zeuge ist Aramis?« – »Gewiß«, erwiderte Athos, »wissen Sie denn nicht, daß man uns drei niemals einer ohne den andern sieht und bei den Musketieren der
Kardinalsgarde, bei Hofe und in der Stadt nie anders nennt als die drei Unzertrennlichen? Wenn Sie nun freilich aus Aix kommen oder meinetwegen aus Pau...« – »Aus Tarbes, bitte«, bemerkte d'Artagnan. – »Dann muß man Ihnen schon solche Unkenntnis nachsehen«, schloß Athos. – »Meiner Treu«, rief d'Artagnan, »Das Wort unzertrennlich paßt trefflich auf Sie drei Herren, und mein Abenteuer, so geringes Aufsehen es machen
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wird, dürfte wenigstens Beweis dafür sein, daß Ihr Dreibund nicht auf persönlichen Gegensätzen beruht.«
Inzwischen war Porthos herangekommen und hatte Athos
durch eine Handbewegung begrüßt; als er sich umdrehte und d'Artagnan erblickte, wurde er ganz verdutzt... Nebenbei möge bemerkt sein, daß er ein anderes Wehrgehänge umgetan und den Mantel abgelegt hatte... »Ah, ah!« rief er, »was heißt denn das«?
– »Der Herr, mit dem ich mich schlage«, erklärte Athos, ihn auf die gleiche Weise begrüßend. – »Mit ihm schlage auch ich
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