Die drei Musketiere
mich«, sagte Porthos. – »Aber erst in einer Stunde«, bemerkte d'Artagnan. – »Und ich«, rief Aramis, seinerseits auf dem Platz erscheinend, »ich schlage mich gleichfalls mit ihm.« – »Aber erst um zwei«, sagte d'Artagnan mit der gleichen Ruhe wie vorhin. – »Warum schlägst du dich denn, Athos?« fragte Aramis. – »Meiner Treu, so recht weiß ich es selbst nicht«, antwortete dieser, »er hat mich an der Schulter gepackt; und du, Porthos?« – »Meiner Treu«, antwortete Porthos, »ich schlage mich, weil ich mich schlage!«
Athos, dem nichts entging, bemerkte auf den Lippen des Gascogners ein feines Lächeln. – »Wir sind über eine
Toilettenfrage aneinandergeraten«, sagte der Jüngling. – »Und du, Aramis?« fragte Athos. »Ich schlage mich aus theologischen Gründen«, antwortete Aramis, indem er d'Artagnan durch einen Wink bat, den eigentlichen Grund des Duells nicht zu verraten.
Athos sah ein zweites Lächeln über d'Artagnans Lippen
huschen. – »Wirklich?« fragte er. – »Ja, über einen Fall mit dem heiligen Augustin, über den wir nicht einig sind«, sagte der Gascogner. – »Entschieden einer, der auch den Kopf auf dem rechten Fleck hat!« meinte Athos bei sich.
»Und nun, meine Herren«, rief d'Artagnan, »da wir
beisammen sind, gestatten Sie mir wohl, Ihnen meine
Entschuldigungen vorzubringen?« – Bei diesen Worten glitt über Athos' Stirn eine trübe Wolke, über Porthos' Lippen huschte ein stolzes Lächeln, und ein verneinendes Zeichen war
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Aramis' Antwort. – »Sie verstehen mich nicht richtig, meine Herren«, sagte d'Artagnan, den Kopf erhebend, der von einem Sonnenstrahl umspielt war, so daß die scharfen, kühnen Konturen wie vergoldet erschienen... »Ich bitte Sie um Entschuldigung, falls ich nicht meine Schuld an alle drei abtragen könnte, denn Herrn Athos steht das Recht, mich abzutun, zuerst zu, ein Umstand, der Ihrer Forderung an mich viel Abbruch tut, Herr Porthos, und die Ihrige, Herr Aramis, auf den Nullpunkt niederdrückt. Und nun, meine Herren, wiederhole ich meine Bitte um Entschuldigung, doch nur in diesem Sinn; jetzt aber – heraus mit dem Degen!«
Mit der ritterlichsten Gebärde, die sich erwarten ließ, zog d'Artagnan den Degen. Das Blut war ihm zu Kopf geschossen, und er hätte in diesem Augenblick gegen alle Musketiere des Königreichs blankgezogen, wie soeben gegen Athos, Porthos und Aramis. Es war ein Viertel auf eins. Die Sonne stand in ihrem Zenith und brannte auf den für den Zweikampf
ausersehenen Platz mit all ihrer Glut... »Sehr warm heute«, sagte Athos, seinerseits den Degen ziehend, »und doch werde ich mein Wams nicht ablegen können, denn meine Wunde hat, wie ich merke, eben noch geblutet, und, wollte ich dem Herrn hier Blut zeigen, das er nicht vergossen hat, müßte ich doch fürchten, ihn zu genieren.« – »Richtig, mein Herr«, sagte d'Artagnan, »der Anblick von Blut, ob durch meinen oder einen anderen Degen vergossen, wird immer Bedauern erwecken, sobald es ein wirklicher Edelmann verliert.«
»Bitte, bitte«, rief Porthos, »der Komplimente sind genug gewechselt! Vergessen Sie nicht, daß wir auch darauf rechnen, an die Reihe zu kommen.« – »Führen Sie das Wort bloß für sich, Porthos, falls Sie weitere derartige Ungereimtheiten auf Lager haben«, unterbrach ihn Aramis. »Ich meinerseits finde, was die beiden Herren einander sagen, vortrefflich und zweier Edelleute für durchaus würdig.« – »Wenn Sie bereit sind, mein Herr«, rief Athos, sich auslegend, »dann bitte!« – »Ich habe nur
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auf Sie gewartet«, erwiderte d'Artagnan, die Klinge kreuzend.
Aber die beiden Rapiere hatten einander kaum gestreift, als eine Patrouille von der Leibgarde Seiner Eminenz unter dem Kommando des Herrn von Jussac um die Ecke des
Klostergebäudes schwenkte. – »Die Wache, meine Herren!«
riefen Porthos und Aramis wie aus einem Mund. »Die Degen in die Scheide! Die Degen in die Scheide!« – Aber es war zu spät, denn die beiden Duellanten waren bereits erblickt worden, zudem in einer Stellung, die an ihren Absichten keinen Zweifel ließ. – »Holla!« rief Jussac, mit einem Wink an seine Mannschaft, ihm zu folgen. »Holla! Musketiere, man schlägt sich also hier? Und die Verbote... wie steht's denn damit?« –
»Sehr edel von Ihnen, meine Herren Gardisten«, sagte Athos, erfüllt von Grimm, denn Jussac war bei dem vorgestrigen Angriff auf sie dabei gewesen; »sollten wir Sie in gleicher Lage treffen, so
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