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Die drei Musketiere

Die drei Musketiere

Titel: Die drei Musketiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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Hauch von Heimlichkeit an sich und um sich, war in allerhand Intrigen bei Hofe eingeweiht, was sich in ihrem ganzen Gesichtsausdruck widerspiegelte, und stand in dem Verdacht, ein mitfühlendes Herz zu besitzen, bekanntlich für junge Liebhaber ein unwiderstehliches Zugpflaster. Obendrein hatte d'Artagnan sie aus den Händen von Satansknechten befreit, die sie untersuchen und mißhandeln wollten. Dieser nicht unerhebliche Dienst hatte zwischen ihr und ihm eines jener Dankbarkeitsgefühle hervorgerufen, die so leicht einen zarteren Charakter annehmen.
    D'Artagnan sah sich bereits im raschen Fluge seiner Phantasie von einem Liebesboten der jungen Frau angeredet, der ihm ein Stelldichein meldete mit der nicht minder beglückenden Beigabe einer goldenen Kette oder gar eines Diamanten. Wie schon gesagt, trugen damals junge Herren keine Bedenken, sich von ihrem König ein Trinkgeld in die Hand drücken zu lassen. Ja, damals waren die Sitten so locker, daß sich kein junger Herr ein Gewissen daraus machte, von seiner Herzdame mit kostbaren Angebinden bedacht zu werden, die so aufgefaßt wurden, als sollten sie greifbaren Ersatz für den ewigen Wankelmut weiblicher Empfindungen darbieten. So galt es tatsächlich nicht für beschämend, durch Frauen Karriere zu machen. Wer nur schön war, verschenkte seine Schönheit; wer dazu noch reich war, geizte auch mit klingender Münze nicht, und es ließen sich recht viele »Herren« aus jenen Tagen nennen, die weder Schlachten noch die Sporen dazu gewonnen hätten, wenn ihnen
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    ihre Damen nicht die nach Kräften gespickte Börse an den Sattelgurt gehängt hätten.
    D'Artagnan besaß keine Schätze; was er an sittlichen
    Bedenken aus der Provinz nach Paris mitgebracht hatte, war unter den lockeren Ratschlägen der drei Musketiere rasch verflogen wie der Hauch von dem Pfirsich. Nach der
    wunderlichen Gepfloge nheit jener Zeit kam er sich in Paris vor wie im Felde: dort galt es, den Feind, hier die Frau zu besiegen; und hier wie dort, Beute zu machen und zu plündern. Indessen ist nicht zu leugnen, daß d'Artagnan zur Zeit von einem edleren, uneigennützigeren Gefü hl beherrscht wurde. Der Krämer, sein Hauswirt, hatte ihm gesagt, er sei reich; der junge Mann konnte nicht im unklaren darüber sein, daß ihm solch harmloser Simpel wie Bonacieux ausgeliefert war, wenn er die Frau, also den Schlüssel zum Geldkasten, sein nannte. Und doch war sein Herz ihm gegenüber ziemlich frei von materiellen Gedanken...
    Freilich nur »ziemlich«, denn es ist nun einmal so und war so und wird so bleiben, daß Reichtum, mag eine Frau noch so schön und anmutig sein, der Liebe niemals Abbruch tut.
    D'Artagnan hoffte wohl, eines Tages im Besitz von Millionen zu sein. Vorläufig war er aber noch ein armer Schlucker, und bis solche Hoffnung Wirklichkeit wurde, konnte wohl manches Jahr noch vergehen. Für ihn hieß es also noch, kein Rohr schwimmen lassen, aus dem man Pfeifen schneiden kann, und darum vergaß er bei aller Verliebtheit seinen Stand und seine drei Freunde nicht. Da er sich nun gerade in dem Stadtviertel befand, wo Aramis sein Standquartier hatte, fiel ihm ein, daß er noch keinem seiner Musketiere über den Grund Aufklärung gegeben, der ihn veranlaßt hatte, sie nach der Mausefalle zu zitieren. So wollte er bei Aramis vorsprechen, denn war Aramis zu Hause gewesen, so war er sicher auf der Stelle dorthin geeilt und mußte sich nicht schlecht gewundert haben, niemand als günstigenfalls seine beiden Kameraden zu treffen.
    Paris lag seit zwei Stunden im Düster der Nacht und fing an,
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    einsam zu werden. Von allen Türmen der Vorstadt Saint-
    Germain schlug es elf. Das Wetter war mild. Durch eine Gasse in der Gegend der heutigen Rue d'Assas schlendernd, sog d'Artagnan die balsamischen Düfte ein, die der Wind aus den taufrischen Gärten der Rue de Vaugirard herübertrug. Von fern her klangen, gedämpft jedoch durch sichere Fensterläden, aus Schenken, die auf dem freien Felde lagen, Trinklieder an seine Ohren. Am Ausgang der Gasse wandte er sich links; das Haus, wo Aramis wohnte, lag zwischen der Rue Cassette und der Rue Servandoni. Schon konnte er die Tür des hinter einem
    Sykomoren- und Weinrebendickicht versteckten Hauses
    erkennen, als er aus der Rue Servandoni etwas wie einen Schatten, in einen Mantel gehüllt, hervorschleichen sah. Im ersten Augenblick glaubte er, es sei ein Mann; aber an der Kleinheit des Wuchses, der Beklommenheit der Haltung, der Unsicherheit des Ganges

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