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Die drei Musketiere

Die drei Musketiere

Titel: Die drei Musketiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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Tür auf und stieß den armen Bonacieux, der am ganzen Leibe zitterte, in eine niedrige Stube, worin außer einem Tisch und einem Stuhl nur eine schmale Bank stand. Auf dem Stuhl saß ein Schreiber, der auf dem Tisch in verschiedene n Papieren blätterte. Der Wärter führte seinen Gefangenen bis zu dem Tisch und entfernte sich dann auf einen Wink des Schreibers.
    Der Beamte sah auf und maß Herrn Bonacieux vom Kopf bis zu den Füßen. Er war ein Mensch von widerlichem Aussehen, mit spitzer Nase, gelben, hervorstechenden Backenknochen, kleinen, lebhaften Augen, langem Hals, auf dem ein Kopf sich wiegte, der halb Marder-, halb Fuchskopf war und, im
    Zusammenhang mit dem schwarzen Rock und der schwarzen
    Halsbinde betrachtet, den Eindruck eines aus dem Panzer herausragenden Schildkrötenkopfes machte.
    Der Schreiber fragte Herrn Bonacieux nach Namen,
    Vornamen, Alter, Stand und Wohnung. Die Antwort lautete:
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    Bonacieux, Jacques Michel, 51 Jahre, Kolonialwarenhändler, Rue des Fossoyeurs Nr. 11. Nun erging sich der Schreiber, statt den armen Wicht zu verhören, in einer langen
    Auseinandersetzung darüber, welche Gefahr ein Kleinbürger laufe, wenn er sich in öffentliche Angelegenheiten mische. Er knüpfte daran eine Schilderung der Machtstellung des
    Kardinals, jenes unvergleichlichen Ministers, in dessen Arbeit sich der König selbst nicht mischte, und dem kein Mensch ungestraft in den Weg träte. Hierauf heftete er seinen Späherblick auf Bonacieux und hieß ihn den Ernst seiner Lage in Erwägung ziehen.
    Der Krämer hatte nicht viel zu erwägen: er verwünschte den Augenblick, in dem es Herrn de la Porte eingefallen war, ihn mit seinem Patenkind zu verheiraten, und vor allem jenen andern Augenblick, in dem dieses Patenkind in den Dienst der Königin getreten war. Der Grundzug von Bonacieux' Charakter war maßlose Selbstsucht, vermischt mit schmutzigem Geiz und einer ans Lächerliche streifenden Feigheit. Die Neigung, die ihm seine junge Frau eingeflößt hatte, war bei ihm eine Empfindung untergeordneten Ranges. Er überlegte jedoch das eben Gehörte, und nach einer kurzen Weile bemerkte er kalt: »Aber, Herr Kommissar, ich schätze ganz gewiß das Glück meines
    Vaterlandes, von einer so weisen und unvergleichlichen Eminenz regiert zu werden, mehr als irgendwer in Frankreich.«
    – »Wahrhaftig?« fragte der Schreiber mit dem Ausdruck starken Zweifels; »aber wie kommt es dann, daß wir Sie hier sehen?« –
    »Wieso, oder vielmehr warum ich hier bin«, versetzte Herr Bonacieux, »vermag ich Ihnen nicht zu sagen; bestimmt aber nicht darum, weil ich dem Herrn Kardinal irgendwie zu nahe getreten wäre, denn davon müßte ich doch auch etwas wissen.«
    – »Sie stehen aber unter der Anklage des Hochverrats. Also müssen Sie doch etwas auf dem Kerbholz haben?«
    »Des Hochverrats?« rief Bonacieux ganz entsetzt. »Aber wie soll ein armer Krämer, der Hugenotten und Spanier verabscheut,
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    zu Hochverrat kommen? Überlegen Sie doch nur, Herr
    Kommissar, das ist ja schier unmöglich.« – Der Schreiber betrachtete den Angeklagten mit seinen kleinen Augen, wie wenn er ihm im tiefsten Herzen zu lesen vermöchte, und fragte:
    »Herr Bonacieux, Sie haben wohl eine Frau?« – »Jawohl, Herr«, versetzte der Krämer, am ganzen Leibe zitternd, denn die Empfindung beschlich ihn, daß sich um diesen Punkt die ganze Geschichte drehte... »Das heißt, ich hatte eine.« – »Sie hatten eine? Wie ist das zu verstehen? Was haben Sie mit ihr gemacht, wenn Sie sie nicht mehr haben?« – »Man hat sie mir entführt, Herr.« – »Entführt? Oho!«
    Bonacieux witterte aus diesem Oho, daß sich die Sache noch ärger zu verwickeln drohte. – »Also entführt?« rief der Schreiber wieder. »Und wissen Sie, welcher Mann den Raub begangen hat?« – »Ich glaube ihn zu kennen.« – »Wer ist's?« –
    »Bitte, Herr Kommissar, ich behaupte ja nichts, sondern vermute nur.«
    »Gegen wen haben Sie Verdacht? Sagen Sie es frei heraus!«
    Herr Bonacieux war in der größten Bedrängnis; sollte er alles sagen oder alles leugnen? Leugnete er alles, so konnte man vielleicht glauben, er wisse zuviel; sagte er alles, so zeigte er den guten Willen; also entschied er sich für das letztere.
    »Ich habe Verdacht gegen einen großen, brünetten Mann, der ganz das Aussehen eines vornehmen Herrn hat. Es ist mir ein paarmal, wenn ich auf meine Frau an der Louvrepforte gewartet habe, so vorgekommen, als wenn er uns auflauerte.« – Der Beamte

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