Die drei Musketiere
Korridor entlang, den er schon einmal passiert hatte, über einen Hof hinweg, dann durch eine andere Wachstube, endlich zu einem Tor hinaus, vor dem ein Wagen hielt, von vier berittenen Soldaten begleitet. Er mußte in den Wagen einsteigen, ein Korporal setzte sich neben ihn, der Verschlag wurde geschlossen, und langsam, wie eine
Trauerkutsche, setzte sich das Gefährt in Bewegung. Durch das vergitterte Fenster erblickte der Gefangene Häuser und Straßenpflaster, sonst weiter nichts; aber als echtes Pariser Kind erkannte Bonacieux an den Grenzsteinen, Schildern und
Laternen jede Straße, durch die der Wagen fuhr. Als er bei Saint-Paul vorbeikam, dem Ort, wo die zum Tode verurteilten Bastillegefangenen hingerichtet wurden, fühlte er sich einer Ohnmacht nahe und bekreuzigte sich ein paarmal. Er hatte gedacht, der Wagen würde hier halten; aber die Fahrt ging weiter. Als es am Saint-Jean-Friedhof vorbeiging, wo die Hochverräter eingescharrt wurden, schüttelte es ihn wieder am ganzen Leib, und er fand ein bißchen Trost bloß in dem Bewußtsein, daß ihm der Kopf noch auf den Schultern saß, während doch sonst jedem, der hierher geschafft wurde, dieser vorher abgesäbelt wurde. Als er aber sah, daß der Wagen die Richtung zum Grève-Platz nahm, als er die Spitzdächer des Rathauses erkannte und in die Säulenhalle einfuhr, da war es ihm noch einmal zumute, als sei ihm das letzte Brot gebacken.
Er wollte seiner Begleitmannschaft ein offenes Bekennt nis ablegen. Als sie ihm aber das Gehör verweigerte, fing er so zu jammern an, daß der Patrouillenführer ihm mit einem Knebel drohte, wenn er sich nicht still verhielte. Das brachte ihn zum Schweigen, gab ihm aber einen Teil seiner Zuversicht wieder,
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denn er sagte sich, daß man doch dicht an der Hinrichtungsstelle keinen Knebel nötig hätte, wenn man ihn hängen oder rädern wollte. Diese Ansicht erhielt auch ihre Bestätigung, denn auch am Grève-Platz fuhr der Wagen vorbei, ohne zu halten. Nun war also bloß noch die Croixdu-Trahoir zu fürchten, und dorthin nahm der Wagen jetzt seine Richtung. Diesmal ließ sich nicht mehr zweifeln! Wurden doch hier Personen vom Leben zum Tode gebracht, die den unteren Gesellschaftsschichten
angehörten. Bonacieux hatte sich eingebildet, Saint-Pauls oder des Grève-Platzes würdig zu sein, er gehörte ja aber dorthin!
Und hier also sollte seine Lebensbahn enden, hier sein Schicksal sich erfüllen? Noch konnte er das unglückselige Kreuz nicht sehen, aber er fühlte halb und halb, wie es sich vor ihm aufrichtete, wie er ihm näher und näher kam. Knapp zwanzig Schritte davon entfernt, hörte er ein dumpfes Lärmen, und der Wagen hielt. Das war mehr, als der arme Bonacieux ertragen konnte, den schon all die einander jagenden Erschütterungen mürbe gemacht hatten. Einen matten Seufzer ausstoßend, der mit dem letzten Atemzug eines Sterbenden verzweifelte
Ähnlichkeit hatte, sank er in Ohnmacht.
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Der Mann von Meung
Auf dem Platz hatte sich eine dichte Volksmenge
angesammelt, nicht, um einen Menschen hängen, sondern um einen, der schon hing, baumeln zu sehen. Der Wagen, in dem Bonacieux saß, fuhr infolge des Gedränges wohl eine Zeitlang langsamer, sah sich auch ein paar Sekunden lang aufgehalten, bog aber alsbald in die Rue Saint-Honoré ein, passierte die Rue des Bons-Enfants und hielt endlich vor einer niedrigen Pforte.
Dort wurde Bonacieux von zwei Soldaten aus dem Wagen
gehoben und eine Allee entlang gestoßen, eine Treppe hinauf und in ein Vorzimmer hineingeschoben. Alles das war an ihm vorüber gegangen wie ein Traum. Was er sah, sah er wie in einem Nebel; was er hörte, summte ihm in den Ohren, ohne daß er einzelne Töne unterscheiden konnte. Hätte man ihn jetzt aufs Schafott geführt, so hätte er weder die Hand gerührt, um sich zu wehren, noch einen La ut ausgestoßen, um Mitleid zu erwecken.
Die Soldaten hatten ihn auf eine Bank niedergesetzt, und da hockte er eine Weile. Als er mit der Zeit merkte, daß die Bank hübsch weich gepolstert war und sah, daß die Wand mit
Korduan tapeziert war, und schöne rote Damastvorhänge über das Fenster niederfielen, wurde es ihm allmählich klar, daß er keine Ursache mehr zu übermäßiger Furcht hatte, und so gewann er allmählich wieder Mut. Erst zog er das eine, dann das andere Bein an sich; dann stützte er sich behutsam auf die Ellbogen, richtete sich langsam in die Höhe und fand endlich Halt auf den Beinen. Im nämlichen Augenblick ging
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