Die drei Musketiere
lieb sein, ein bekanntes Gesicht zu sehen!«
Der Kommissar wandte sich zu dem an der Tür stehenden
-139-
Wärter mit dem Befehl, Herrn d'Artagnan vorzuführen, und Athos erschien. – »Herr d'Artagnan«, fuhr der Kommissar ihn an, »sagen Sie aus, was zwischen Ihnen und dem Herrn hier vorgegangen ist.« – »Aber«, rief Bonacieux, »daß ist ja Herr d'Artagnan gar nicht!«
»Was? Nicht Herr d'Artagnan?« schrie der Kommissar, »nicht Herr d'Artagnan?« – »Ganz und gar nicht!« versetzte Bonacieux.
– »Und wer ist's dann?«
»Das kann ich nicht sagen, denn ich kenne ihn nicht«,
antwortete Bonacieux. – »Wie? Sie kennen den Mann nicht?« –
»Nein.« – »Haben ihn nie gesehen?« – »Doch, aber ich weiß nicht, wie er heißt.«
»Ihr Name?« fuhr der Kommissar den Musketier wieder an.
»Athos!« – »Aber das ist doch gar kein Personenname!« rief der arme Inquisitor, dem der Kopf zu wirbeln anfing, »so heißt ja ein Gebirge!« – »So heiße ich«, erwiderte Athos ruhig. –
»Aber Sie haben ausgesagt, Sie hießen d'Artagnan!« – »Ich?« –
»Ja, Sie!« – »Das heißt: Mir ist gesagt worden: Sie sind d'Artagnan, und ich habe gefragt: So? Meinen Sie? Darauf hat die Mannschaft geschrien, sie wisse doch, wer ich sei; ich habe ihr nicht widersprechen wollen, zumal ich mich ja verhört haben könnte.« – »Herr! Sie beleidigen die Majestät der Justiz!« rief der Kommissar. – »Nicht, daß ich wüßte«, versetzte Athos kalt.
– »Sie sind Herr d'Artagnan!« – »Sie wollen es mir also immer noch einreden?«
»Aber ich sage Ihnen doch, Herr Kommissar«, rief jetzt Bonacieux, »daß hier jeder Zweifel ausgeschlossen ist. Herr d'Artagnan wohnt in meinem Haus, und wenn er mir auch bis heute noch keinen Heller Miete bezahlt hat, so muß ich ihn doch kennen; ich sollte meinen, darum gerade um so mehr. Herr d'Artagnan ist ein Mensch von neunzehn oder zwanzig Jahren, und der Herr da ist wenigstens dreißig. Herr d'Artagnan dient in der Garde Des Essarts, und der Herr da trägt Musketieruniform!
-140-
Sehen Sie doch!«
Da ging die Tür auf, und, von einem Schließer der Bastille geführt, trat ein Bote ein mit einem Brief in der Hand, den er dem Kommissar überreichte... »O die Unglückselige!« rief dieser. – »Wie? Was sagen Sie? Von wem sprechen Sie?
Hoffentlich nicht von meiner Frau?« schrie Bonacieux. – »Von wem denn sonst?« versetzte der Beamte. »Na, Ihre Sache macht sich, das muß man sagen.« – »Aber, mein Herr!« rief der Krämer in heller Verzweiflung, »sagen Sie mir doch nur, wie sich, während ich hier im Gefängnis schmachte, meine
Angelegenheit durch Dinge verschlimmern kann, die draußen meine Frau treibt.« – »Weil Ihr Tun und Treiben mit einem zwischen ihr und Ihnen geschmiedeten Plan der schlimmsten Art zusammenhängt.« – »Herr Kommissar, ich schwöre Ihnen, daß Sie sich im ärgsten Irrtum befinden, daß ich kein Jota davon weiß, was meine Frau treiben mag, daß ich von allem, was sie angestellt hat, so unwissend bin wie ein neugeborenes Kind, und daß ich alle Torheiten, die sie begeht, rundweg in Abrede stelle, ja verwünsche, verfluche!« – »Mich scheinen Sie jetzt nicht mehr zu brauchen«, sagte Athos zu dem Beamten. »Lassen Sie mich also wieder abtreten; der Herr Bonacieux ist nicht gerade amüsant.« – »Führen Sie die Gefangenen wieder in ihre Zellen!«
befahl der Kommissar, »die Haft ist zu verschärfen.« – »Ich verstehe nicht recht«, wandte Athos mit der an ihm gewohnten Ruhe ein, »was ich noch hier soll, wenn Sie es doch mit Herrn d'Artagnan zu tun haben, und nicht mit mir; aus solchem Stellvertreterposten mache ich mir wirklich nicht viel.«
»Wärter, die beiden Personen werden abgeführt, und über den Fall größtes Stillschweigen bewahrt! Sie verstehen mich?«
Athos folgte achselzuckend, während Herr Bonacieux wie ein Kettenhund heulte. Um die neunte Abendstunde hörte er in seinem Verlies draußen auf dem Korridor Schritte. Bald öffnete sich auch seine Pforte, und Soldaten erschienen auf der Schwelle... »Folgt mir!« kommandierte einer von ihnen. –
-141-
»Ich?« rief der Krämer, »Ihnen? Zu solcher Zeit? Und wohin?«
»Dorthin, wohin wir Sie bringen sollen.« – »Aber das ist doch keine Antwort!« – »Und doch die einzige, die wir Ihnen geben können.« – »Gerechter Gott!« jammerte der Krämer, »diesmal bin ich geliefert!« Mechanisch und widerstandslos folgte er den Soldaten, denselben
Weitere Kostenlose Bücher