Die drei Musketiere
Worte zu verlieren? D'Artagnan, ich folge dir!« – »Ich auch!« rief Porthos. – »Ich auch!« rief Aramis; »mir ist's ganz recht, daß wir aus Paris herauskommen, denn ein bißchen Zerstreuung tut mir not.« – »Oh. daran wird's nicht fehlen.« rief d'Artagnan; »darum unbesorgt!« – »Und nun: wann geht's los?« fragte Athos. – »Auf der Stelle!« versetzte d'Artagnan; »wir dürfen keine Minute verlieren!« – »Holla!
Grimaud, Planchet, Mousqueton, Bazin!« riefen die vier Stürmer ihre Pagen, »die Stiefel gewichst und die Rosse gesattelt!« – Die vier Burschen trollten sich. – »Und nun«, rief Porthos, »an unsern Feldzugsplan! Wohin reiten wir zunächst?«
– »Nach Calais«, erklärte d'Artagnan; »es ist der nächste Weg nach London.« – »Nun«, erklärte Porthos, »meine Meinung ist die: wenn vier zusammen reisen, entsteht leicht Verdacht.
D'Artagnan soll uns einze ln instruieren; ich reite bis Boulogne
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voraus als Aufklärer; Athos folgt zwei Stunden später auf der Straße nach Amiens; Aramis folgt uns über Noyon, und
d'Artagnan folgt uns auf der ihm genehmen Route in Planchets Tracht, während Planchet in d'Artagnans Gardeuniform in Calais eintrifft.« – »Die Pagen bei solcher Sache ins Vertrauen zu ziehen«, bemerkte Athos, »scheint mir nicht ratsam; ein Geheimnis kann durch Zufall von einem Edelmann verraten werden; von Bedienten aber wird es wohl immer verkauft.«
»Porthos' Ansicht«, erklärte d'Artagnan, »scheint mir
unausführbar, weiß ich doch selbst nicht, wie ich euch instruieren soll. Ich soll einen Brief nach London bringen; das ist alles. Drei Abschriften von dem Brief habe ich nicht und kann sie auch nicht besorge n, denn der Brief ist versiegelt. Es wird also weiter nichts übrigbleiben, als zusammen zu reisen.
Den Brief habe ich hier in meiner Tasche. Falle ich, dann nimmt ihn einer von euch und setzt die Reise fort. Fällt er, so kommt ein anderer von euch an die Reihe, und so fort: Wenn nur einer von uns ankommt, das genügt, denn mehr ist nicht nötig.« –
»Bravo, d'Artagnan! Ich schließe mich deinem Vorschlag an«, erklärte Athos. »Übrigens heißt es doch, konsequent sein; ich will ein Bad aufsuchen, und ihr wollt mich begleiten; statt nach Forges will ich in ein Seebad gehen, ich bin doch völlig freier Herr meines Willens. Hält man uns an, so zeige ich den Brief des Herrn von Tréville vor, und ihr eure Urlaubspässe; greift man uns an, so verteidigen wir uns; prozessiert man gegen uns, so bleiben wir steif und fest dabei, daß uns jede andere Absicht, als ein paarmal unters Meer zu tauchen, vollständig fernliegt.
Mit vier einzelnen Leuten hätte man leichtes Spiel; vier Mann vereint, bilden schon eine stattliche Truppe. Die Pagen bewaffnen wir mit Pistolen und Musketen; schickt man Truppen gegen uns aus, so liefern wir ihnen eine Schlacht, und wer die andern überlebt, wird Überbringer des Briefes.«
»Gut gesprochen«, rief Aramis; »oft sprichst du nicht, Freund Athos, aber wenn du sprichst, trittst du mit dem heiligen
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Chrysostomus in Wettstreit. Ich schließe mich dir an, Athos.
Und du, Porthos, wie denkst du?« – »Ich bin, wenn es
d'Artagnan recht ist, gleicher Meinung wie ihr. D'Artagnan als Träger des Briefes ist natürlich das Haupt der Unternehmung; er soll entscheiden, und wir tun nach seinem Willen.« – »Nun, so beschließe ich, daß wir uns nach dem von Athos mitgeteilten Plan verhalten und in einer halben Stunde aufbrechen.« –
»Angenommen!« riefen die drei Musketiere im Cho r. Dann tat jeder einen Griff in den Beutel des Kardinals, zählte sich fünfundsiebzig von den Goldfüchsen ab und traf seine
Vorkehrungen, um zur festgesetzten Zeit reisefertig zu sein.
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Die Reise
Um zwei Uhr morgens verließen unsere vier Abenteurer
durch die Barrière von Saint-Denis Paris. Solange die Nacht dauerte, verhielten sie sich stumm; wider Willen unterlagen sie dem Einfluß der Dunkelheit und sahen überall Hinterhalte.
Sobald aber der Tag graute, lösten sich ihre Zungen; und mit der Sonne kehrte die Fröhlichkeit bei ihnen ein. Es war ihnen zumute, wie am Vorabend einer Schlacht; das Herz schlug, die Augen lachten, man fühlte, daß das Leben, das man vielleicht lassen müsse, doch eine ganz hübsche Sache ist.
Der Zug bot übrigens einen höchst imposanten Anblick: die Rappen der Musketiere, ihre kriegerische Haltung und der kavalleristische Drill, den sie auch auf solchem Ritt nicht ablegen
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