Die drei Musketiere 2
her, daß ich das, was Ihr soeben sagtet, in Gegenwart einer Frau äußerte, die ich für meine Freundin hielt und die mich verriet. Und Ihr, seid Ihr auch ein Opfer des Verrats?«
»Nein, sondern meiner Anhänglichkeit an eine Frau, die ich liebte, für die ich das Leben hingegeben hätte, für die ich es noch hingeben würde.«
»Und die Euch verlassen hat, nicht wahr?«
»Ich war so ungerecht, dies zu glauben, aber seit ein paar Tagen habe ich den Beweis vom Gegenteil erlangt und danke Gott dafür. Aber Ihr, Madame, scheint mir, seid frei, und wenn Ihr fliehen wolltet, so würde es nur von Euch abhängen.«
»Wohin soll ich gehen, ohne Freunde, ohne Geld, in einer 244
Gegend Frankreichs, die ich nicht kenne, wo …«
»Oh«, rief die Novizin, »Freunde werdet Ihr überall finden, wo Ihr Euch nur zeigt. Ihr scheint so gut zu sein, und seid so schön!«
»Das hindert nicht«, erwiderte Mylady mit einem so süßen Lächeln, daß es ihr einen engelhaften Ausdruck verlieh, »daß ich allein und verfolgt bin.«
»Oh«, sagte die Novizin, »man muß die Hoffnung auf den Himmel nicht aufgeben, und es ist vielleicht ein Glück für Euch, daß Ihr mich getroffen habt, so gering ich auch bin; denn wenn ich diesen Ort verlasse, nun, dann werde ich einige mächtige Freunde haben, die auch für Euch etwas tun können.«
»Oh! Wenn ich sagte, ich sei allein«, erwiderte Mylady, in der Hoffnung, die Novizin zum Sprechen zu bringen, »so müßt Ihr nicht meinen, daß ich nicht auch einige hohe Bekanntschaften hätte, aber diese zittern vor dem Kardinal. Ich kenne Monsieur de Putange, ich habe in England Monsieur Dujart kennengelernt, ich kenne Monsieur de Treville.«
»Monsieur de Treville!« rief die Novizin, »Ihr kennt Monsieur de Treville, den Kapitän der Musketiere des Königs!
Oh! Nun werdet Ihr sehen«, sagte die Novizin, »daß wir sogleich ganz gut miteinander bekannt, ja beinahe Freundinnen sein werden. Wenn Ihr Monsieur de Treville kennt, so müßt Ihr in seinem Haus gewesen sein.«
»Oft«, antwortete Mylady, die weiterlog, als sie merkte, daß sie auf diesem Weg zum Ziel kam.
»Ihr müßt bei ihm einige von seinen Musketieren gesehen haben?«
»Alle, die er gewöhnlich empfängt«, erwiderte Mylady.
»Kennt Ihr nicht einen Edelmann namens Athos?«
Mylady wurde so bleich wie die Leintücher, in denen sie lag, so sehr sie sich auch zu beherrschen suchte, schrie sie auf, während sie die Novizin bei der Hand faßte und mit dem Blick 245
verschlang.
»Wie? Was habt Ihr? Mein Gott«, fragte die junge Frau,
»habe ich etwas gesagt, was Euch verletzte?«
»Nein, aber der Name ist mir aufgefallen, weil ich diesen Mann ebenfalls kenne, und weil es mir sonderbar vorkommt, daß ich jemanden finde, der so gut mit ihm bekannt ist.«
»O ja, sehr gut bekannt, und zwar nicht allein mit ihm, sondern auch mit seinen Freunden, den Herren Aramis und Porthos.«
»In der Tat? Auch sie kenne ich«, rief Mylady, die eine eisige Kälte in ihr Herz dringen fühlte.
»Nun, wenn Ihr sie kennt, so müßt Ihr wissen, daß es gute und brave Kameraden sind. Warum wendet Ihr Euch nicht an sie, wenn Ihr der Hilfe bedürft?«
»Das heißt«, stammelte Mylady, »ich stehe mit keinem von ihnen in einer wirklichen Verbindung. Ich kenne sie, weil ich einen von ihren Freunden, Monsieur d’Artagnan, von ihnen sprechen hörte.«
»Ihr kennt also Monsieur d’Artagnan!« rief die Novizin, die nun ihrerseits Mylady bei der Hand faßte und sie mit ihren Augen verschlang.
Dann sagte sie, als sie den sonderbaren Ausdruck in Myladys Blick gewahr wurde: »Um Vergebung, Madame, in welcher Eigenschaft kennt Ihr ihn?« – »Wie meint Ihr«, sagte Mylady verlegen, »in der Eigenschaft eines Freundes.« – »Ihr täuscht mich, Madame«, sagte die Novizin, »Ihr seid seine Geliebte gewesen!« – »Ihr seid es gewesen, Madame.« – »Ich!« rief die Novizin. – »O ja, Ihr. Ich erkenne Euch jetzt. Ihr seid Madame Bonacieux.«
Die junge Frau wich voll Staunen und Schrecken zurück.
»Oh! Leugnet nicht, antwortet«, sagte Mylady.
»Nun ja, Madame, ich liebe ihn. Sind wir
Nebenbuhlerinnen?«
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In Myladys Gesicht leuchtete ein so wildes Feuer, daß Madame Bonacieux unter andern Umständen voll Angst
entflohen wäre; aber jetzt wurde sie einzig und allein von der Eifersucht beherrscht.
»Sprecht, laßt hören, Madame«, fuhr sie mit einer Energie fort, deren sie gar nicht fähig schien. »Seid Ihr seine Geliebte gewesen?«
»O
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