Die drei Musketiere 2
hörte.
»Ich bin für niemand zu Hause«, sagte Mylady, »verstehst du, 53
für niemand.«
Der Lakai entfernte sich. D’Artagnan warf einen neugierigen Blick auf Mylady.
Auf die Frage nach ihrer Gesundheit antwortete sie:
»Schlecht, sehr schlecht.«
»Dann bedürft Ihr ohne Zweifel der Ruhe, ich entferne mich.«
»Nein, im Gegenteil, bleibt, Monsieur d’Artagnan. Eure liebenswürdige Gesellschaft wird mich zerstreuen.«
»Sie ist nie so reizend gewesen«, dachte d’Artagnan. »Man muß auf der Hut sein.«
Mylady nahm die liebevollste Miene an, die sie anzunehmen vermochte, und verlieh ihrer Unterhaltung allen möglichen Reiz.
Zu gleicher Zeit gab das Fieber, das sie einen Augenblick verlassen hatte, ihren Augen den Glanz, ihrer Wangen die Farbe, ihren Lippen das leuchtende Rot wieder. D’Artagnan fühlte wieder ihren gefährlichen Zauber. Mylady lächelte, und es war d’Artagnan zumute, als könnte er für dieses Lächeln Höllenqualen erleiden.
Nach und nach wurde Mylady mitteilsam. Sie fragte
d’Artagnan, ob er eine andere Liebe im Herzen trage.
»Ach!« rief d’Artagnan mit seinem empfindsamsten Ton,
»könnt Ihr so grausam sein, eine solche Frage an mich zu richten, der ich, nachdem ich Euch gesehen habe, nur für Euch, für Euch allein atme und seufze!«
Mylady lächelte seltsam.
»Also liebt Ihr mich?« – »Habe ich nötig, Euch dies zu sagen?
Habt Ihr es nicht selbst wahrgenommen?« – »Aber Ihr wißt, je stolzer die Herzen sind, desto schwieriger sind sie zu erobern.«
– »Oh! Schwierigkeiten erschrecken mich nicht, nur
Unmöglichkeiten können mich erschrecken.« – »Nichts ist einer wahren Liebe unmöglich.« – »Nichts, Madame?« – »Nichts!« –
»Zum Teufel«, dachte d’Artagnan, »die Note verändert sich.
Sollte sie vielleicht verliebt in mich werden?« – »Laßt hören, 54
was würdet Ihr tun, um mir die Liebe zu beweisen, von der Ihr sprecht?« – »Alles, was man verlangt. Ich bin zu allem bereit.«
– »Zu allem?« – »Zu allem!« rief d’Artagnan, der schon wußte, daß er nicht viel wagte, wenn er eine solche Verpflichtung einging. – »Schön! So hört mich an!« sagte Mylady und rückte ihren Stuhl d’Artagnan näher. – »Ich höre, Madame.«
Mylady blieb einen Augenblick nachdenklich und
unentschlossen, dann sagte sie:
»Ich habe einen Feind.« – »Ihr, Madame?« rief d’Artagnan, den Erstaunten spielend. »Mein Gott, ist es möglich … bei Eurer Schönheit und Güte!« – »Einen Todfeind.« – »In der Tat?« –
»Einen Feind, der mich so grausam beleidigt hat, daß zwischen ihm und mir ein Krieg auf Leben und Tod stattfindet. Kann ich auf Euch als meinen Bundesgenossen rechnen?«
D’Artagnan begriff sogleich, was die Rachsüchtige wollte.
»Ihr könnt es«, sagte er mit Nachdruck. »Mein Arm und mein Leben gehören Euch, wie meine Liebe.« – »Dann«, sagte Mylady, »da Ihr ebenso edelmütig seid, wie Ihr mich liebt …« –
»Nun?« – »Nun!« versetzte Mylady stockend, »sprecht fortan nicht mehr von Unmöglichkeiten!« – »Tötet mich nicht durch so viel Glück!« rief d’Artagnan, stürzte auf die Knie und bedeckte die Hände, die sie ihm überließ, mit Küssen und sagte:
»Ich bin bereit.« – »Ihr habt mich also verstanden, lieber Monsieur d’Artagnan?« – »Ich würde Eure Blicke erraten.« –
»Ihr werdet also für mich Euren Arm gebrauchen, der sich bereits einen so hohen Ruf erworben hat?« – »Sogleich.« –
»Und wie werde ich Euch je für einen solchen Dienst danken können?« – »Eure Liebe ist die einzige Belohnung, dich ich verlange, die einzige, die Euer und meiner würdig ist.« –
»Eigennütziger!« sagte sie lächelnd. – »Ah!« rief d’Artagnan, einen Augenblick durch die Leidenschaft fortgerissen, die diese Frau in seinem Herzen zu entzünden gewußt hatte, »ah! Weil mir Eure Liebe unwahrscheinlich vorkommt, und weil ich sie wie meine Träume verschwinden zu sehen fürchtete, drängt es 55
mich, die bestimmte Versicherung aus Eurem Mund zu
empfangen.« – »Verdient Ihr denn bereits ein solches Geständnis?« – »Ich stehe ganz zu Euren Diensten.« –
»Gewiß?« rief Mylady mit einem leichten Zweifel. – »Nennt mir den Elenden, der diese schönen Augen weinen ließ.« –
»Wer sagt Euch, daß ich geweint habe?« fragte Mylady lebhaft.
– »Es schien mir so …« – »Frauen wie ich weinen nicht.« –
»Desto besser! So sagt mir, wie er heißt.« –
Weitere Kostenlose Bücher