Die drei Musketiere 2
liebt mich, nicht wahr, Ihr liebt mich?« – »Allerdings.«
– »Wenn ich mich also aus maßloser Liebe zu Euch vergangen hätte, würdet Ihr mir vergeben?« – »Vielleicht. Aber das Geständnis«, sagte sie erbleichend, »was habt Ihr mir zu gestehen?« – »Ihr hattet am vorigen Donnerstag dem Comte de Wardes in diesem Zimmer ein Stelldichein und zur Erinnerung daran einen Ring gegeben, nicht wahr?« – »Ich! Nein, das ist nicht der Fall!« sagte Mylady mit so fester Stimme und mit solcher Ruhe im Gesicht, daß d’Artagnan, wenn er nicht vollkommene Gewißheit gehabt hätte, gezweifelt haben würde.
– »Lügt nicht, mein schöner Engel, es wäre unnütz«, sagte d’Artagnan und zwang sich dabei zu einem Lächeln. – »Wieso?
Sprecht doch! Ihr peinigt mich zu Tode.« – »Dieser Ring – ist in meinen Händen. Der Comte de Wardes von Donnerstag und der d’Artagnan von heute sind ein und dieselbe Person.«
Der Unkluge hatte sich auf ein mit Scham gepaartes Staunen gefaßt gemacht, auf einen Sturm, der sich in Tränen auflösen würde, aber er täuschte sich gewaltig, und sein Irrtum währte nicht lange.
Bleich und furchtbar erhob sich Mylady vom gemeinsamen Lager und wollte d’Artagnan durch einen heftigen Schlag auf die Brust zurückstoßen und sich von ihm entfernen. D’Artagnan hielt sie am Nachtgewand zurück, aber mit einer kräftigen, entschlossenen Bewegung suchte sie zu entfliehen. Da zerriß der feine Batist, und d’Artagnan erblickte auf einer von ihren schönen Schultern, die nun entblößt war, beim Licht des jungen Tages zu seinem unaussprechlichen Schrecken die Lilie, das nie zu tilgende Mal, das die Hand des Henkers aufdrückt.
»Großer Gott!« rief er, das Kleid aus den Händen lassend, und blieb stumm, unbeweglich, wie zu Eis erstarrt.
Aber Mylady fühlte sich gerade durch d’Artagnans Entsetzen 61
verraten. Ohne Zweifel hatte er alles gesehen, er wußte nun ihr furchtbares Geheimnis.
Sie wandte sich um, nicht mehr wie ein wütendes Weib, sondern wie ein verwundeter Panther.
»Ha! Elender!« sagte sie, »Du hast mich feig verraten, und mehr noch, du bist im Besitz meines Geheimnisses! Du mußt sterben!«
Und sie lief nach einem kleinen Kästchen mit eingelegter Arbeit, das auf ihrem Toilettentisch stand, öffnete es mit fieberhaft zitternder Hand, zog einen kleinen Dolch mit goldenem Griff und dünner spitziger Klinge heraus und stand mit einem Sprung wieder vor d’Artagnan.
Obgleich der junge Mann viel Mut besaß, erschrak er doch vor diesem verstörten Gesicht, diesen hervortretenden Augen, diesen bleichen Wangen, diesen blutigen Lippen, er erhob sich und wich zurück, fuhr unwillkürlich mit seiner von Schweiß feuchten Hand an den Degen und zog ihn aus der Scheide.
»Gut, schöne Dame, gut«, sagte er; »aber ich bitte Euch um Gottes willen, besänftigt Euch, oder ich zeichne eine zweite Lilie auf Eure andere Schulter.«
Nun suchte sie mit den Händen den Degen zu ergreifen, d’Artagnan wußte aber immer geschickt auszuweichen, und indem er ihn bald vor die Augen, bald vor die Brust hielt, ließ er sich vom Bett heruntergleiten und suchte zum Rückzug den Ausgang in das Zimmer Kittys.
Mylady setzte ihm indessen fortwährend mit schrecklichem Gebrüll und mit wahnsinniger Wut zu.
Das ganze glich einem Duell. D’Artagnan gewann denn auch allmählich seine Fassung wieder.
Doch fortwährend die Tür suchend, war d’Artagnan nur auf seine Verteidigung bedacht. Durch den Lärm aufmerksam gemacht, öffnete Kitty die Tür, von der d’Artagnan nur drei Schritte entfernt war. Mit einem einzigen Sprung floh er aus 62
dem Zimmer Myladys in das der Zofe und verschloß schnell wie der Blitz die Tür wieder, gegen die er sich mit seiner ganzen Kraft stemmte, während Kitty die Riegel vorstieß.
Dann suchte Mylady die Tür zu sprengen, und zwar mit Kräften, die weit über das gewöhnliche Maß einer Frau gingen.
Da sie fühlte, daß dies unmöglich war, so führte sie gegen die Tür Dolchstöße, und jeder Stoß war von einer furchtbaren Verwünschung begleitet.
»Geschwind, geschwind, Kitty«, sagte d’Artagnan mit leiser Stimme, »mach’, daß ich aus diesem Haus komme, denn lassen wir ihr Zeit, sich umzudrehen, läßt sie mich durch ihre Bediensteten töten. Schnell, es hängt Leben und Tod davon ab!«
Kitty verstand nur zu gut. Sie führte ihn in der Dunkelheit über die Stufen hinab. Es war höchste Zeit, Mylady hatte bereits geläutet und weckte das ganze
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