Die drei Musketiere 2
man fast alles hörte, was zwischen den beiden Frauen gesprochen wurde.
Mylady schien trunken vor Freude, sie ließ sich von Kitty noch einmal ausführlich erzählen, wie der Graf ihren Brief empfangen, wie er geantwortet, welchen Ausdruck sein Gesicht gezeigt habe, ob er sehr verliebt geschienen. Auf alle diese Fragen antwortete die arme Kitty, die sich keine Blöße geben durfte, mit erstickter Stimme.
Als endlich die Stunde nahte, wo der Graf erscheinen sollte, ließ Mylady in der Tat alle Lichter löschen und hieß Kitty in ihr Zimmer zurückzukehren und den Comte de Wardes bei ihr einführen, sobald er sich zeigen würde.
Kitty hatte nicht lange zu warten. Kaum hatte d’Artagnan durch das Schlüsselloch seines Schrankes gesehen, daß das ganze Zimmer in Finsternis gehüllt war, so sprang er in dem Augenblick, wo Kitty die Verbindungstür wieder schloß, aus seinem Versteck hervor.
»Was soll dieses Geräusch bedeuten?« fragte Mylady.
»Ich bin es«, sagte d’Artagnan mit halber Stimme, »ich, der Comte de Wardes.«
»O mein Gott, mein Gott!« murmelte Kitty, »er konnte nicht einmal die Stunde abwarten, die er selbst festgesetzt hatte!«
»Nun!« sagte Mylady mit zitternder Stimme, »warum tritt er nicht ein? Comte, Ihr wißt, daß ich Euch erwarte.«
Hierauf schob d’Artagnan Kitty leise beiseite und eilte in Myladys Zimmer.
Wie müssen Wut und Schmerz die Seele eines Liebenden 46
foltern, der unter einem Namen, der nicht sein ist, Liebesbeteuerungen empfängt, die seinem glücklichen Nebenbuhler gelten!
D’Artagnan befand sich in einer qualvollen Lage, die er nicht vorhergesehen hatte, die Eifersucht marterte sein Herz, und er litt fast ebenso wie die arme Kitty, die zugleich im angrenzenden Zimmer weinte.
»Ja, Comte«, sagte Mylady mit ihrer sanftesten Stimme und drückte dabei seine Hände, »ja, ich bin glücklich durch die Liebe, die mir Eure Blicke und Eure Worte ausdrücken. Aber ich liebe Euch auch. Morgen, morgen will ich irgendein Pfand von Euch, das beweisen soll, daß Ihr an mich denkt, und da Ihr mich vergessen könntet, so nehmt dies.«
Und sie zog einen Ring von ihrem Finger und steckte ihn d’Artagnan an.
Die erste Regung d’Artagnans war, ihn zurückzugeben. In diesem Augenblick wollte er alles enthüllen. Er öffnete den Mund, um Mylady zu sagen, wer er sei und welcher Racheplan ihn herbeigeführt, aber sie fügte hinzu: »Armer Engel, den dieses Ungeheuer von einem Gascogner beinahe getötet hätte.«
Das Ungeheuer war er.
»Oh!« fuhr Mylady fort, »habt Ihr noch an Euren Wunden zu leiden?« – »Ja, sehr«, erwiderte d’Artagnan, der nicht wußte, was er sagen sollte. – »Seid ruhig«, antwortete Mylady in einem für ihren Zuhörer wenig beruhigenden Ton, »ich werde Euch rächen, grausam rächen.«
»Pest!« sagte d’Artagnan zu sich selbst, »der Augenblick der Offenbarung ist noch nicht gekommen.«
D’Artagnan brauchte einige Zeit, um sich von dieser kurzen Unterhaltung zu erholen, alle rachsüchtigen Gedanken, die er mitgebracht hatte, waren völlig verschwunden. Diese Frau übte eine unglaubliche Macht über ihn aus, er haßte sie und betete sie zugleich an. Er hätte nie geglaubt, daß zwei so entgegengesetzte 47
Gefühle in einem Herzen wohnen und vereint eine seltsame, man möchte sagen, teuflische Liebe bilden könnten.
In dem Augenblick, da d’Artagnan Mylady verließ, fühlte er nur ein lebhaftes Bedauern, sich von ihr entfernen zu müssen, und bei dem leidenschaftlichen Lebewohl, das sie sich sagten, verabredeten sie eine neue Zusammenkunft für die nächste Woche.
Die arme Kitty hoffte, einige Worte mit d’Artagnan sprechen zu können, wenn er durch ihr Zimmer ging, aber Mylady geleitete ihn selbst in der Dunkelheit und verließ ihn erst auf der Treppe.
Am anderen Morgen lief d’Artagnan zu Athos. Er war in ein so seltsames Abenteuer verwickelt, daß er ihn um seinen Rat bitten wollte, und erzählte ihm deshalb alles, was vorgefallen war. Athos runzelte wiederholt die Stirn.
»Eure Mylady«, sagte er, »scheint mir ein heilloses Geschöpf zu sein. Aber es war darum von Euch nicht minder unrecht, sie zu täuschen.«
Während Athos sprach, schaute er beständig den von
Diamanten umgebenen Saphir an, der an d’Artagnans Finger die Stelle des Ringes der Königin eingenommen hatte.
»Ihr schaut diesen Ring so eigen an«, sagte d’Artagnan.
»Ja«, sagte Athos, »er erinnert mich an ein Familienjuwel.«
»Der Ring ist schön, nicht
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