Die drei Musketiere 2
»Bedenkt, daß sein Name ganz mein Geheimnis ist.« – »Ich muß ihn aber wissen.«
– »Ja, Ihr sollt ihn erfahren. Seht, welches Vertrauen ich in Euch setze!« – »Er ist doch nicht einer von meinen Freunden?« sagte d’Artagnan mit kluger Berechnung zögernd.
»Wenn es einer von Euren Freunden wäre, würdet Ihr also zögern?« rief Mylady, und ein drohender Blick zuckte aus ihren Augen. – »Nein, und wäre es mein Bruder«, sagte d’Artagnan, als würde er von der Begeisterung fortgerissen.
»Ich liebe Eure Ergebenheit.« – »Ach, liebt Ihr nur das an mir?« – »Ich werde Euch das ein andermal sagen«, antwortete sie und nahm ihn bei der Hand.
Und dieser Druck ließ d’Artagnan schaudern, als ob ihn das Fieber, das Mylady verzehrte, durch die Berührung ebenfalls ergriffen hätte.
»Werdet Ihr mich eines Tages lieben?« rief er. »Oh, wenn dies der Fall wäre, ich könnte den Verstand darüber verlieren!«
Und er umschlang sie mit beiden Armen. Sie versuchte nicht, ihre Lippen seinem Kuß zu entziehen, nur erwiderte sie ihn nicht. Ihre Lippen waren kalt, es war d’Artagnan, als hätte er eine Statue geküßt.
Er war aber deshalb nicht weniger trunken vor Freude, nicht weniger von Liebe durchglüht, und in seinem Wahnsinn war er nahe daran, an die Zärtlichkeit Myladys und an Wardes’
Verbrechen zu glauben. Wenn Wardes in diesem Augenblick unter seiner Hand gewesen wäre, er hätte ihn getötet.
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Mylady ergriff die Gelegenheit.
»Er heißt …« sagte sie. – »De Wardes, ich weiß es«, unterbrach d’Artagnan. – »Und woher wißt Ihr dies?« fragte Mylady, indem sie seine Hände nahm und in seinen Augen bis auf den Grund seiner Seele zu lesen suchte.
D’Artagnan fühlte, daß er sich hatte hinreißen lassen und daß er einen Fehler gemacht hatte.
»Sprecht, sprecht, sprecht doch!« wiederholte Mylady.
»Woher wißt Ihr es?« – »Woher ich es weiß? Ich weiß es, weil Wardes gestern in einem Salon, wo ich mich befand, einen Ring zeigte, von dem er behauptete, er habe ihn von Euch bekommen.« – »Der Elende!« rief Mylady.
Dieser Ausruf ließ, wie man leicht begreift, d’Artagnan nicht unberührt.
»Nun wohl …« fuhr sie fort. – »Wohl! Ich werde Euch rächen an diesem Elenden!« versetzte d’Artagnan.
»Ich danke Euch, mein mutiger Freund!« rief Mylady, »und wann werde ich gerächt sein?«
»Morgen, sogleich, wenn Ihr wollt.«
Mylady wollte ausrufen: »Sogleich!« Aber sie hielt an sich.
»Morgen«, sagte d’Artagnan, »seid Ihr gerächt, oder ich bin tot.« – »Nein, Ihr werdet mich rächen, aber Ihr werdet nicht sterben. Ich weiß etwas.« – »Was wißt Ihr?« – »Es scheint mir, Ihr hattet Euch bei Eurem Streit mit ihm nicht über das Glück zu beklagen.« – »Das Glück ist eine Buhlerin, heute günstig, kann es mich morgen verraten.« – »Das heißt, Ihr zögert jetzt.« –
»Nein, ich zögere nicht, Gott soll mich bewahren, aber wäre es gerecht, mich einem immerhin nicht unmöglichen Tod entgegen gehen zu lassen, ohne mir auch nur ein wenig mehr als Hoffnung gegeben zu haben?«
»Ihr habt recht«, sagte Mylady zärtlich.
»Oh, Ihr seid ein Engel!« rief der junge Mann.
»So ist also alles abgemacht?« – »Alles, bis auf das, was ich 57
von Euch erbitte, meine Liebe!« – »Wenn ich Euch aber doch sage, daß Ihr Euch auf meinen zärtlichsten Dank verlassen könnt.« – »Ich kann es kaum mehr erwarten!«
»Still!« unterbrach sie ihn, »ich höre meinen Schwager. Er braucht Euch nicht hier zu finden.«
Sie läutete. Kitty erschien.
»Geht durch diese Tür«, sagte sie zu d’Artagnan und stieß dabei eine kleine verborgene Tür auf. »Kommt um elf Uhr wieder, und wir führen unsere Unterredung zu Ende. Kitty wird Euch führen.«
Das arme Kind glaubte umzusinken, als es diese Worte hörte.
»Nun, was macht Ihr denn, Mademoiselle. Ihr bleibt hier unbeweglich, wie eine Statue? Hört Ihr, führt diesen Herrn zurück, und um elf Uhr, vergeßt es nicht.«
»Es scheint, alle ihre Stelldichein finden um elf Uhr statt«, dachte d’Artagnan. »Das ist eine feste Gewohnheit.«
Mylady reichte ihm die Hand, die er zärtlich küßte.
»Sieh dich vor«, dachte er, sich entfernend und kaum auf die Vorwürfe Kittys antwortend, »sieh dich vor und sei auf der Hut, d’Artagnan!«
5
D’Artagnan hatte das Haus verlassen. Es war ihm nicht unangenehm, Zeit zu nüchterner Überlegung zu haben, um womöglich in die Gedanken dieser Frau
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