Die drei Musketiere Trilogie 03 - Zehn Jahre später
Luise schlug die Augen nieder und schwieg. Sie handelte wie im Traume. Zuviel war in den letzten Stunden auf sie eingestürmt, als daß sie darüber schon mit sich selbst ins klare hätte kommen können. – »Nur meine unbedachtsameAeußerung ist an allem schuld,« sagte sie nach einer Weile. »Darüber hält sich nun alle Welt auf.« – »Ja, und alle Welt schmückt dieses Ereignis mit immer neuen Phantasieblüten aus. Du hast die Ehre, daß der ganze Hof sich mit deiner Person beschäftigt,« fuhr die Montalais fort. »Was jedoch deine Lage wiederum ein wenig kritisch macht. Sprich, war es dir wirklich Ernst mit dem, was du gesagt hast?«
»Ich würde alles drum geben, wenn ich vergessen könnte, was ich gesagt habe,« antwortete Luise, »wenn ich es ungesagt machen könnte. Aber wie kannst du daran zweifeln, daß mir's mit meinen Worten heiliger Ernst gewesen sei?« – »Liebst du denn nicht den Vicomte von Bragelonne?« rief die Montalais, und diese Frage war wie das erste Wurfgeschoß, das eine feindliche Armee in eine belagerte Stadt schleudert. – »Ob ich Rudolf liebe? meinen Bruder, meinen Jugendgespielen?« – »Du entschlüpfst mir nicht,« versetzte die Montalais. »Ich frage nicht, ob du Rudolf, deinen Jugendgespielen liebst, sondern ob du Rudolf, deinen Verlobten, liebst.«
»O, mein Gott, liebe Montalais, wie genau du es nimmst!« entgegnete Luise. – »Antworte mir nur auf meine Frage!« beharrte Aure. – »Du fragst nicht wie eine Freundin, aber ich werde dir wie eine Freundin antworten,« erwiderte die Lavallière. »Mein Herz ist schwer zugänglich, und ein sprödes Schloß liegt vor meinen weiblichen Gefühlen. Kein Mensch hat je in die Tiefe meines Gemüts geschaut.«
»Das weiß ich,« versetzte die Montalais. »Wenn ich hineinschauen könnte, so würde ich vielleicht also zu dir sprechen: Luise, du bist zu beneiden; Herr von Bragelonne ist ein liebenswürdiger Mensch und einegute Partie für ein armes Mädchen, denn sein Vater wird ihm eine Rente von 15 000 Livres hinterlassen. Sieh nicht nach rechts und nicht nach links. Geh mit deinem Vicomte geradeswegs zum Traualtar.« – »Und für diesen Rat würde ich dir danken,« antwortete Luise, »obgleich er mir nicht gut erscheint. Aber es freut mich, daß du so sprichst, wie du es meinst.« – »Und nimm noch folgenden Rat, liebe Luise,« fuhr die Montalais fort, »es ist sehr gefährlich, tagelang sich von der Gesellschaft der andern auszuschließen, einsame Wege im Garten aufzusuchen und Buchstaben in den Sand zu schreiben, die weit eher dem L als dem B gleichen. Es ist sehr bedenklich, sich abenteuerliche Grillen in den Kopf zu setzen. Es gibt ein Märchen von einem armen, trübseligen Mädchen, das bildete sich ein, ein Prinz liebe sie; aber der Prinz liebte eine weit vornehmere Dame und benutzte das arme Kind nur zum Deckmantel, um die wahre Liebe zu verbergen. Denke dir, liebe Luise, wie tödlich für dieses arme Mädchen die Enttäuschung gewesen sein muß. Es war zuerst von allen umschwärmt, dann von allen verspottet, dann starb es in der Einsamkeit.«
Luise wurde bleich wie Leinwand und zitterte heftig.
»Still!« flüsterte sie, »es kommt jemand.« – »In der Tat,« sagte die Montalais, »wer mag das sein? Alle Welt ist mit dem König in der Messe oder mit Monsieur im Bade. Luise, es ist Rudolf! Er kommt wie gerufen, er soll Schiedsrichter zwischen uns sein.« – »O, Montalais, Montalais!« rief Luise, »sage ihm um Gotteswillen nichts! Du warst grausam, sei nicht noch unerbittlich!«
»O, Herr Vicomte!« rief Aure dem jungen Mannezu, »Sie sind wahrlich schön wie Amadis. Und wie dieser auch gestiefelt und gespornt!« – »Weil ich abreise,« antwortete Bragelonne, sich vor den Damen verneigend. – Luise erschrak. »Sie reisen ab? Wohin denn?« rief sie. – »Liebe Luise,« sprach Rudolf, »ich gehe auf Befehl des Königs nach England.« – »Auf Befehl des Königs!« rief die Montalais, und beide Mädchen wechselten einen Blick der Verwunderung, den Bragelonne wohl bemerkte, aber nicht verstand. – »Majestät hat sich daran erinnert, daß der Graf de la Fère bei Karl II. gut angeschrieben steht,« sagte der Vicomte. »Heute morgen rief der König mich zu sich, als er mich erblickte, und befahl mir, zu Herrn Fouquet zu gehen, von dem ich Briefe an den König von England in Empfang nehmen sollte. Diese Briefe habe ich persönlich zu überbringen.«
»Mein Gott!« murmelte Luise, von unklaren Ahnungen
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