Die drei Musketiere Trilogie 03 - Zehn Jahre später
unnützen Einwendungen!« schnitt sie dem jungen Manne das Wort ab, als sie sah, daß er Bedenken äußern wollte. »Fragen Sie nicht weiter nach und nehmen Sie hin, was ich Ihnen sage. Ich will zwei meiner Frauen hinschicken; Sie brauchen sie nicht zu sehen. Genügt Ihnen das?«
»Gewiß, Madame; ich werde sogar vor Ihren Botinnenhergehen und dafür sorgen, daß Sie nicht auf unerwartete Hindernisse stoßen.« – »Nun wohl, so warten Sie unten auf der Treppe. Drehen Sie sich nicht nach den Frauen um, sondern gehen Sie immer gerade Ihres Weges.« – »Zu Befehl, Hoheit!« – Manicamp verneigte sich und ging zufrieden von dannen. Er wußte, daß Madames Erscheinen der beste Balsam für die Wunden seines Freundes sein werde. Er brauchte keine Viertelstunde zu warten, dann erschienen zwei Frauen auf der Treppe, und Manicamp ging, wie verabredet, ohne sich umzuschauen.
Graf Guiche lag im Bette, bleich, mit verschleierten Augen, umfangen vom Delirium, von einem jener finstern Träume, die Gott denjenigen schickt, welche auf dem Wege sind, in die fremde Welt der Ewigkeit zu versinken. Manicamp trat ein, sprach ein paar Worte mit der Krankenwärterin und ging dann mit ihr in ein Nebenzimmer.
Zwei Frauen, in Mäntel gehüllt, eine Halbmaske vorm Gesicht, traten ein. Die eine gab der andern einen Wink, worauf diese an der Tür auf einem Schemel Platz nahm. Dann ging sie selbst ans Bett, hob die Vorhänge auf und sah in das blasse Gesicht des Bewußtlosen, dessen rechte Hand in weiße, stellenweise von Blut getränkte Leinwand gewickelt war. Die Brust trug einen ebensolchen Verband, der auch einige Blutspuren zeigte. Ein heiserer Ton wie Todesröcheln entklang den aufeinandergebissenen Zähnen des Grafen. Die Maskierte ergriff seine linke Hand, die heiß war wie glühende Kohle.
Als die kalte Hand der Dame sie berührte, war die Wirkung dieser Kälte so stark, daß Graf Guiche die Augen aufschlug. Doch schien er im ersten Moment nichts zusehen, nichts zu erkennen. Die Dame gab ihrer Gefährtin, die an der Tür geblieben war, einen Wink, und diese sprach sofort laut und mit sorgfältiger Betonung: »Herr Graf, Ihre Königliche Hoheit, Madame, wünscht zu wissen, ob Ihre Wunden Sie sehr schmerzen, und Ihnen durch meinen Mund innigste Teilnahme auszusprechen.«
Bei dem Worte »Madame« bewegte sich der Graf und drehte sich nach der Seite um, von der die Stimme kam. Da ihn aber die kalte Hand nicht losließ, wandte er sich wieder nach dieser unbeweglichen Gestalt. – »Sind Sie es, Madame, die mit mir spricht?« flüsterte er, »oder ist jemand anders im Zimmer?« – »Ja,« antwortete die unbewegliche Gestalt. – »Nun, so sagen Sie Madame, ich danke ihr und werde nun gern sterben, da sie meiner gedacht hat.«
Die maskierte Dame weinte und vergaß, daß sie eine Larve trug. Bei dem Versuch, die Tränen abzuwischen, riß sie den Domino weg. Nun sah Graf Guiche ihr Gesicht und stieß einen Schrei aus. Aber alsbald starb jeder Laut auf seinen Lippen, der rechte Arm, den er ausgestreckt hatte, sank zurück, und die Wunde schien frisch aufzubrechen, denn die Leinwand färbte sich mit einem tiefen Rot. Dann lag der Kopf regungslos auf dem Kissen. Die Dame aber neigte sich über das leichenfahle Gesicht und drückte einen Kuß auf die Lippen. Wie von einem elektrischen Strome berührt, erwachte Guiche noch einmal, um sofort aufs neue in Ohnmacht zu fallen.
»Fort!« rief die Dame ihrer Gefährtin zu; »wenn ich noch länger hier bliebe, wäre ich imstande, eine Torheit zu begehen. Hebe den Domino auf!« – Sie schlüpften hinweg und kehrten rasch ins Palais zurück.
Die eine der beiden Damen verschwand in den Gemächern der Herzogin von Orléans, die andere begab sich in das Gelaß der Ehrendamen. Und diese letztere nahm die schwarze Larve, die die Besucherin des Kranken getragen hatte und betrachtete sie im Kerzenlicht. »Ich habe vergessen, sie Madame zurückzugeben,« murmelte sie, »ich werde es morgen tun! Doch sieh da!« rief sie aus, »die Innenseite ist ganz naß! O, Sie haben geweint, meine Gnädige. Das läßt tief blicken. Und noch mehr, hier ist gar ein Blutfleck! Sie müssen also den Wunden des Herrn von Guiche sehr nahe gekommen sein. O nein! diese Larve werde ich Ihnen nicht zurückgeben. Sie ist jetzt viel zu kostbar.«
Sechster Teil
Kabale und Liebe
1. Kapitel. In Ungnade
Am folgenden Tage fand die Rückkehr des gesamten Hofes nach Paris statt, und es war ein herrlicher Anblick, diese
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