Die drei Musketiere Trilogie 03 - Zehn Jahre später
Gelegenheit wahrnehmen muß –«
»Sie sprachen von Voraussetzungen, Graf,« sagte Ludwig XIV., »und wollten zu Beleidigungen übergehen –« »Den König beleidigen?« rief der Graf. »Ich? Niemals! Ich habe mein ganzes Leben hindurch den Standpunkt vertreten, daß die Könige über den andern Menschen stehen, nicht nur durch Rang und Macht, sondern durch den Adel ihres Herzens, durch die Stärke ihres Geistes. Ich werde nie der Meinung Raum geben. Majestät verberge in dem Worte, das Sie sprachen, einen Hintergedanken.« – »Was für einen Hintergedanken?«
»Ich werde mich erklären,« antwortete Athos kalt. »Wenn Eure Majestät die von uns gewünschte Heirat aufschieben wollen und, statt das Glück Ihres treuen Dieners, des Grafen von Bragelonne, zu fördern, damit nur den Zweck verfolgen, den Bräutigam des Fräuleins von Lavallière von ihr fernzuhalten –«
»Sie sehen wohl, Sie beleidigen mich.« – »Das habe ich überall sagen hören, Majestät. Alle Welt spricht von der Liebe Eurer Majestät zu Fräulein von Lavallière.« – Der König zerriß seine Manschetten, an denen er seit einigen Minuten ungeduldig zupfte. »Wehe denen,« brach er aus, »die sich in meine Angelegenheiten mischen! Mein Entschluß ist gefaßt, ich greife durch! ich werfe alle Hindernisse nieder!« – Der König hielt plötzlich inne, wie ein Pferd, dem man mit scharfem Ruck Kandare gibt. – »Was für Hindernisse?« fragte Athos ruhig. – »Ich liebe Fräulein von Lavallière,« sprach der König mit ebensoviel Stolz wie Innigkeit.
»Das ist für Eure Majestät kein Hindernis, Herrn von Bragelonne mit ihr zu vermählen,« erwiderte Athosschlicht. »Ein solches Opfer ist eines Königs würdig, und Herr von Bragelonne verdient es, da er ein wackerer Mann ist und sein Leben schon oft für seinen König in die Schanze geschlagen hat. Indem der König seiner Liebe entsagt, beweist er zugleich Edelmut, Erkenntlichkeit und Staatskunst.« – »Aber Fräulein von Lavallière,« versetzte Ludwig, »liebt Herrn von Bragelonne nicht!« – »Das wissen Majestät?« fragte Athos mit einem durchdringenden Blick. – »Ich weiß es.« – »Erst seit kurzem jedenfalls. Denn hätten Majestät es schon bei unserer ersten Unterredung gewußt, so würden Sie es mir gesagt haben.« – »Erst seit kurzem.«
Nach einem peinlichen Schweigen sprach Athos: »Ich begreife nicht, weshalb Majestät Herrn von Bragelonne nach London sandten. Diese Art von Verbannung befremdet mit Recht alle, denen die Ehre ihres Königs am Herzen liegt.« – »Wer spricht von der Ehre des Königs?« rief Ludwig. – »Die Ehre des Königs, Majestät, ist untrennbar von der Ehre des gesamten Adels. Wenn der König einen seiner Edelleute beschimpft, das heißt, ihm ein Stück seiner Ehre nimmt, so bringt er sich selbst dadurch um dieses Stück Ehre.« – »Herr de la Fère!« – »Majestät haben den Grafen von Bragelonne nach London geschickt, nicht zu einer Zeit, da Sie Fräulein von Lavallière noch nicht liebten, sondern erst als Sie sie liebten!« – Der König wollte Athos mit einer Gebärde verabschieden; doch dieser fuhr fort:
»Majestät, ich gehe von hier nur fort, nachdem mir Genugtuung geworden entweder durch Eure Majestät oder durch mich selbst. Und Genüge wird mir getan sein, wenn Sie mir bewiesen haben, daß Sie im Recht sind, oder wenn ich Ihnen bewiesen habe, daß Sie im Unrechtsind. O, Sie werden mich anhören, Sire! Ich bin alt, ich halte auf alles, was in Ihrem Königreiche wahrhaft groß und ehrenvoll ist. Ich bin ein Edelmann, der sein Blut für Ihren Vater vergossen hat, und auch schon für Sie, ohne dafür jemals etwas von Ihnen oder von Ihrem Vater verlangt zu haben. Ich habe noch keinem Menschen auf dieser Welt Unrecht getan und habe mir Könige zu Danke verpflichtet. Sie werden mich anhören! Ich verlange von Ihnen Rechenschaft, weshalb Sie einen Ihrer Edelleute an seiner Ehre gekränkt haben, indem Sie ihn in erlogener Sendung fortschickten. Ich weiß, Sie wollen mich meiner Freimütigkeit wegen züchtigen, aber ich weiß auch, welche Strafe ich von Gott für Sie fordern werde, wenn ich ihm Ihren Treubruch und das Unglück meines Sohnes klage.«
Der König durchmaß mit großen Schritten das Zimmer, sein Auge flammte, seine Hand zerknitterte das Spitzenjabot, das seine Brust schmückte. – »Mein Herr,« sprach er, »stände ich Ihnen jetzt als König gegenüber, so würden Sie schon gezüchtigt sein; aber ich stehe vor Ihnen
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