Die drei Musketiere Trilogie 03 - Zehn Jahre später
Meer hinauszeigte. »Belle-Ile!« sagte er. – D'Artagnan ließ einen großen Aal, der sich zwischen seinen Fingern wand, entwischen, fuhr herum und sah in geringer Entfernung dunkelgraue Felsen emporragen, die von den weißen Mauern eines prachtvollen Schlosses gekrönt waren. Die Mittagssonne warf goldene Strahlen aufs Meer, und die Zauberinsel war von schimmernder Atmosphäre umhüllt, in der die jenseits des Schlosses sich erstreckenden Wiesen und Waldungen verschwammen.Er stand im Anschauen verloren, aber bald besann er sich, daß es seines Amtes nicht sei, landschaftliche Schönheiten zu bewundern, und er ließ sein Auge forschend an der Insel entlangwandern. Da erkannte er alsbald, daß tatsächlich Festungswerke gebaut wurden.
»Potzblitz,« rief er plötzlich, »da sind ja auch Soldaten!« – »Natürlich,« antwortete der Fischer. »Es liegen 1700 Mann auf der Insel. Jede einzelne Garnison ist mit 22 Kompagnien Infanterie besetzt.« – »Alle Wetter!« dachte d'Artagnan. »Ich glaube immer mehr, der König hat recht.«
Die Barke landete, und während die Fischer mit ihrem Kahn und ihrem Fang beschäftigt waren, entfernte sich d'Artagnan langsam und unauffällig von ihnen und schlenderte am Strande entlang. Rings sah er Barken, mit Steinen beladen, und überall gingen die Schubkarren hin und her. Die Ausdehnung der Bauarbeiten konnte d'Artagnan vorläufig nicht übersehen. Welchem Zweck sie dienten, darüber war er als Soldat keinen Augenblick im Zweifel. An den beiden Enden des Hafens waren zwei Batterien errichtet, von denen aus die Landungsstellen ins Kreuzfeuer genommen werden konnten. Die Batterien schienen zur Aufnahme schwerer Geschütze bestimmt, doch waren diese selbst noch nicht da, obwohl alle Vorbereitungen zu ihrer Aufstellung schon getroffen waren.
Nachdem d'Artagnan die Küstenbatterien betrachtet, wendete er seine Aufmerksamkeit auf die Festungswerke und unterschied, daß diese nach einem ganz neuen System angelegt waren, welches ihm der Graf de la Fère einmal eingehend erläutert hatte. Das Neue an dieser Bauart war, daß die Werke nicht als Schanzen über den Erdbodenemporragten, sondern in Form von Gräben unterhalb des Niveaus lagen, so daß sie feindlichen Geschützen kein Ziel boten. Zugleich hatten sie den Vorteil, daß sie jederzeit durch Schleusen vom Meere aus unter Wasser gesetzt werden konnten. Die Arbeiten waren beinahe beendet, die Leute legten die letzten Steine auf, unter dem Befehl eines Mannes, der den ganzen Bau zu leiten schien. Er trug ein prächtiges Wams, an dem man gleich erkannte, daß er nicht zu der Klasse der Leute gehörte, die er beaufsichtigte. Er hatte einen Federhut, und vor ihm auf einem Steine lag ein Plan, nach welchem er die Arbeiten anordnete. Er betrachtete eben sechs Männer, die alle Kraft aufboten, um einen gewaltigen Stein ein wenig zu lüften und ein Querholz unterzuschieben. Der Stein war ihnen aber schon zweimal aus den Händen geglitten, ohne daß sie ihn hoch genug hatten heben können, um Raum für den Balken zu schaffen. Der Mann mit dem Federhut verlor die Geduld und trat hinzu.
»Ihr seid samt und sonders schlappe Kerle!« rief er. »Macht Platz! Ich will euch zeigen, wie man das anzustellen hat.« – »Alle Wetter!« dachte d'Artagnan, »er will doch nicht etwa den Steinkoloß allein heben?« – Die Arbeiter traten kopfschüttelnd auf die Seite; der Ingenieur bückte sich, legte die Hände an den Stein, spannte die herkulischen Muskeln und hob den Quaderstein mit der Ruhe und Sicherheit einer Maschine vom Boden auf. Der Arbeiter schob rasch den Hebebaum darunter. – »Alle Wetter!« rief d'Artagnan unwillkürlich. »Ich kenne nur einen, der so etwas fertig bringt.« – »Was?« fragte der bärenstarke Mensch und drehte sich um.
»Porthos!« rief der Gaskogner. »Porthos inBellelle!« – Der Mann mit dem Federhut sah die spießbürgerliche Gestalt an, die vor ihm stand, und erkannte sie trotz der Verkleidung. – »D'Artagnan!« rief er. Die beiden Freunde hatten sich erkannt und wußten im selben Moment auch, daß ein jeder sein besonderes Geheimnis hatte, das er nicht gern preisgeben wollte. – »Was zum Teufel hat Porthos in Belle-Ile zu suchen?« Diese Frage legte sich d'Artagnan vor, doch ohne sie laut auszusprechen. – Porthos jedoch, der kein so feiner Diplomat war wie der Gaskogner, dachte mit Worten. »Was zum Teufel haben Sie in Belle-Ile zu suchen?« fragte er, und da mußte d'Artagnan wohl oder übel sofort
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