Die drei Musketiere
er diesen Brief der Herzogin selbst einhändige. Nicht wahr, das hieß den Wünschen des Herrn Porthos entsprechen, da er uns diesen Brief so dringend empfohlen hatte?«
»So beiläufig.«
»Nun, gnädiger Herr, wissen Sie, wer diese hohe Dame ist?«
»Nein, ich hörte nur Porthos von ihr reden, weiter nichts.«
»Wissen Sie, wer diese vorgebliche Herzogin ist?«
»Ich wiederhole Euch, daß ich sie nicht kenne.«
»Es ist die alte Prokuratorsfrau im Châtelet, namens Madame Coquenard, gnädigster Herr; sie zählt mindestens schon fünfzig Jahre, und spielt noch die Eifersüchtige. Das schien mir auch ganz seltsam, eine Prinzessin, die in der Gasse Aux-Ours wohnt.«
»Woher wisset Ihr das?«
»Weil sie in heftigen Zorn ausbrach, als sie den Brief erhielt, und sagte: ›Herr Porthos sei ein wankelmütiger Mensch, und gewiß habe er den Degenstich um eines Frauenzimmers willen bekommen.‹«
»Er hat also einen Degenstich bekommen?«
»Ach, mein Gott, was habe ich da gesagt!«
»Ihr habt gesagt, daß Porthos einen Degenstich bekam.«
»Ja, doch er hat mir streng verboten, es weiterzusagen.«
»Warum das?«
»Beim Himmel! mein Herr! weil er geprahlt hat, er werde jenen Fremden, mit dem Sie ihn im Wortwechsel zurückgelassen haben, durchbohren, indes ihn doch dieser Fremde trotz all seiner Ruhmredigkeit Überwunden hat. Indem nun Herr Porthos ein sehr prahlsüchtiger Mensch ist, und das auch seiner Herzogin gegenüber, die er mit der Erzählung seines Abenteuers für sich einnehmen zu können glaubte, so will er es niemandem bekennen,daß er einen Degenstich bekommen hat.«
»Hält ihn also ein Degenstich im Bett zurück?«
»Ja, ein Meisterstich, das kann ich versichern. Die Seele Ihres Freundes muß im Leib angepfählt sein.«
»Waret Ihr beim Kampf?«
»Gnädiger Herr, ich folgte ihnen aus Neugierde nach, und sah das Duell, ohne daß die Kämpfenden mich gewahrten.«
»Und wie ist es da zugegangen?«
»O, ich versichere, die Sache war bald abgetan. Sie nahmen ihre Stellung, der Fremde machte eine Finte und fiel so schnell aus, daß Herr Porthos, als er zur Parade kam, schon drei Zoll Klinge in der Brust hatte. Hierauf fragte ihn der Fremde um seinen Namen, und als er hörte, daß er Porthos hieße und nicht d'Artagnan, so reichte er ihm seine Hand, geleitete ihn bis zum Hotel, schwang sich auf das Pferd und ritt von dannen.«
»Hatte es also der Fremde auf d'Artagnan abgesehen?«
»So scheint es.«
»Und wisset Ihr, was mit ihm geschehen ist?«
»Nein, ich habe ihn bis zu diesem Augenblick nicht wiedergesehen.«
»Gut, ich weiß, was ich wissen wollte. Nun, Ihr sagt, Porthos habe das Zimmer im ersten Stock Nr. 1?«
»Ja, gnädiger Herr! das schönste im Gasthof, ein Zimmer, das ich bisher schon zehnmal hätte vermieten können.«
»Bah, beruhigt Euch,« entgegnete d'Artagnan lachend; »Porthos wird Euch schon bezahlen mit dem Gelde der Herzogin Coquenard.«
»O, gnädiger Herr, Prokuratorsgemahlin oder Herzogin– das wäre mir gleichviel, wenn sie nur mit der Börse herausrücken wollte: allein sie antwortete bestimmt, sie sei der Forderungen und der Untreue des Herrn Porthos müde und wolle ihm keinen Heller schicken.«
»Und habt Ihr diese Antwort Eurem Gaste hinterbracht?«
»Davor haben wir uns gehütet, er hätte ja daraus ersehen, wie wir seinen Auftrag besorgt haben.«
»Somit harrt er noch immer auf sein Geld?«
»Ach, mein Gott! ja; gestern schrieb er wieder, doch diesmal trug sein Bedienter den Brief auf die Post.«
»Und Ihr sagt, die Prokuratorsfrau wäre alt und garstig?«
»Sie zählt mindestens fünfzig Jahre, gnädiger Herr, und wie Pathaud vorgibt, ist sie ganz und gar nicht hübsch.«
»Für diesen Fall seid ruhig; sie wird sich erweichen lassen, außerdem kann Euch Porthos nicht viel schuldig sein.«
»Wie, nicht viel schuldig; bereits zwanzig Pistolen, den Arzt ungerechnet. Sehen Sie, er versagt sich gar nichts; man sieht, wie er das Wohlleben gewohnt ist.«
»Nun, wenn ihn auch seine Geliebte im Stiche läßt, so findet er doch Freunde, dafür kann ich stehen. Seid also unbekümmert, lieber Wirt, und widmet ihm alle Sorge, die sein Zustand erfordert.«
»Gnädiger Herr, Sie haben mir versprochen, nichts von der Prokuratorsfrau und nichts von der Wunde zu sagen.«
»Dabei bleibt es; ich habe Euch mein Wort gegeben.«
»Ach, sehen Sie, er brächte mich gewiß um.«
»Habt keine Furcht, er ist kein solcher Teufel, wie er aussieht.« Nach diesen Worten stieg
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