Die drei Musketiere
Teufel! mein Lieber, Ihr tragt am Finger einen Stern des Himmels, und wollet nicht, daß man ihn ins Auge fasse! Das ist unmöglich.«
»Endet, mein Lieber, endet,« rief d'Artagnan, »denn, auf Ehre, Ihr tötet mich mit Eurer Kaltblütigkeit.«
»Wir teilten somit diesen Diamanten in zehn Teile,jeden von hundert Pistolen.«
»Ach, Ihr wollet nur scherzen und mich auf die Probe stellen,« sagte d'Artagnan, den schon der Zorn an den Haaren zu packen anfing, wie Minerva den Achilles in der Iliade anfaßt.
»Nein, bei Gott! ich scherze nicht. Ich hätte Euch wohl sehen mögen! Seit vierzehn Tagen erblickte ich kein menschliches Angesicht, und wurde ganz struppig durch dieses fortwährende Entpfropfen der Bouteillen.«
»Das ist noch kein Grund, um meinen Diamanten aufs Spiel zu setzen,« antwortete d'Artagnan, die Hand krampfhaft ballend.
»Hört mich also zu Ende. Zehn Teile zu hundert Pistolen, jede in zehn Würfen, ohne Revanche. Auf dreizehn Würfe verlor ich alles. Auf dreizehn Würfe. Die Zahl dreizehn war mir von jeher verhängnisvoll; es war am dreizehnten Juli, als...«
»Donner und Wetter!« rief d'Artagnan aufspringend; die Geschichte von heute machte ihn auf die gestrige vergessen.
»Geduld,« sagte Athos. »Ich hatte einen Plan. Der Engländer war ein Original. Ich sah ihn diesen Morgen mit Grimaud sprechen; und Grimaud vertraute mir, daß er ihn in seine Dienste aufzunehmen suchte. Ich spielte mit ihm um Grimaud, um den schweigsamen Grimaud, und teilte ihn auch in zehn Teile.«
»Ha, da muß man aus der Haut fahren!« sagte d'Artagnan und erhob ein Gelächter.
»Hört Ihr, ich gewinne Grimaud selber, und mit den zehn Teilen von Grimaud, der nicht ganz einen Dukaten wert ist, gewinne ich auch den Diamant zurück. Sagt mir nun, ob Beharrlichkeit nicht eine Tugend ist?«
»Meiner Treu! das ist recht drollig,« sagte d'Artagnan getröstet, und hielt sich vor Lachen die Seiten.
»Ihr begreift, daß ich, sobald ich wieder etwas Fonds hatte, alsogleich um den Diamanten spielte.«
»Ach, Teufel!« sprach d'Artagnan von neuem verdüstert.«
»Ich gewann Euer Reitzeug wieder und darauf Euer Pferd, dann mein Reitzeug und mein Pferd– und dann verlor ich alles wieder. Kurz, ich bekam Euer Reitzeug und das meinige. So steht im ganzen die Sache, der Wurf war kostbar, und ich hielt mich dabei fest.« D'Artagnan atmete, als hätte man ihm das ganze Wirtshaus von der Brust weggeschoben, und sagte dann schüchtern:
»Also bleibt mir der Diamant?«
»Unangetastet, lieber Freund! auch das Reitzeug Eures Bucephalus und des meinigen.«
»Doch was hilft uns das Reitzeug ohne die Pferde?«
»Ich knüpfe daran einen Gedanken.«
»Athos, Ihr macht mich zittern.«
»Hört, es ist schon lange her, d'Artagnan, daß Ihr nicht mehr gespielt habt.«
»Ich habe auch gar keine Lust zum Spielen.«
»O, verschwören wir nichts! Ihr habt seit langem nicht mehr gespielt, sage ich, Ihr müßt also eine sehr gute Hand haben.«
»Nun, und dann?«
»Nun, der Engländer und sein Gefährte befinden sich noch hier. Ich werte es, wie gern sie unser Reitzeug besäßen. Ihr scheint viel auf Euer
Pferd zu halten; nun, so würde ich an Eurer Stelle mit demReitzeug um das Pferd spielen.«
»Er wird aber nicht wollen eines bloßen Reitzeugs wegen.«
»So setzt beide daran, bei Gott! ich bin ganz und gar kein solcher Egoist wie Ihr.«
»Ihr würdet das tun?« fragte d'Artagnan unschlüssig, so sehr beherrschte ihn die Zuversicht des Athos, ohne daß er es wußte.
»Bei meiner Ehre, auf einen einzigen Wurf.«
»Doch da ich die Pferde verlor, so läge mir ungemein daran, wenigstens das Reitzeug zu behalten.«
»Nun, so spielt um Euren Diamanten!«
»O, das ist etwas anderes; nie, nie!«
»Teufel!« rief Athos, »ich würde Euch in Vorschlag bringen, um Planchet zu spielen: weil das aber schon geschehen ist, so wird es der Engländer gewiß nicht mehr eingehen.«
»Es bleibt dabei, lieber Athos,« erwiderte d'Artagnan, »ich will lieber gar nichts mehr wagen.«
»Das ist schade,« antwortete Athos kalt, »der Engländer ist vollgepfropft mit Goldstücken. Ach, Gott! so versucht doch nur einen Wurf; ein Wurf ist doch schnell gemacht.«
»Und wenn ich verliere?«
»Ihr werdet gewinnen.«
»Doch wenn ich verliere?«
»Nun, so gebt Ihr ihm unser Reitzeug.«
»Wohlan, einen Wurf!« versetzte d'Artagnan. Athos ging, den Engländer aufzusuchen; er traf ihn im Stalle, wo er eben mit lüsternen Augen die Reitzeuge musterte. Die
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