Die drei Musketiere
könnte, wenn man nicht mehr weiß, was man redet,« sagte Athos, und zuckte die Achseln, als ob er Mitleid mit sich selbst fühlte. »Bei Gott! ich will mich nicht mehr benebeln, d'Artagnan, die Gewohnheit ist gar zu häßlich.« D'Artagnan schwieg, dann änderte Athos plötzlich das Gespräch und sagte: »He, Freund, ich danke Euch für das Pferd, das Ihr mir gebracht habt.«
»Hat es Euren Beifall?«
»Ja, doch ist es kein Pferd für den schweren Dienst.«
»Ihr irrt; ich habe zehn Meilen in weniger als anderthalb Stunden mit ihm zurückgelegt, und es schien mir nicht mehr übermüdet, als hätte es einen Lauf um den Platz Saint-Sulpice gemacht.«
»Ach, so tut es mir leid.«
»Wie das?«
»Ja, ich habe es weggegeben.«
»Wieso?«
»Die Sache war diese: als ich diesen Morgen um sechs Uhr aufwachte und Ihr noch schliefet wie eine Taube, wußte ich nicht, was ich tun sollte; ich war noch ganz verdummt von unserem gestrigen Gelage. So ging ich denn hinab in den Saal und sah einen der zwei Engländer, wie er eben mit einem Roßtäuscher um ein Pferd handelte, denn das seine starb gestern am Blutschlag. Wie ich nun sah, daß er hundert Pistolen für einen Brandfuchs bot, trat ich zu ihm und sagte: ›Hören Sie, edler Herr, auch ich habe ein Pferd zu verkaufen.‹ ›Und zwar ein ganz hübsches,‹ entgegnete er; ›ich sah es gestern, als es der Knecht Ihres Freundes an der Hand führte.‹ ›Finden Sie, daß es hundert Pistolen wert sei?‹ ›Ja, wollen Sie es mir geben für diesen Preis?‹ ›Nein, doch spiele ich mit Ihnen.‹ ›Womit?‹ ›Mit Würfeln.‹ Gesagt, getan – aber ich habe das Pferd verloren. Doch hört nur,« fuhr Athos fort, »die Decke habe ich wieder gewonnen.« D'Artagnan machte eine recht saure Miene. »Macht Euch das verdrießlich?« fragte Athos. »Ja, ich gestehe es,« versetzte d'Artagnan; »dieses Pferd hätte uns aneinem Schlachttag kenntlich machen sollen; es war ein Unterpfand, ein Andenken. Athos, Ihr habt unrecht getan.«
»He, mein lieber Freund,« erwiderte Athos, »setzt Euch an meine Stelle; ich langweilte mich zum Sterben, und dann auf Ehre, ich mag die englischen Pferde nicht. Wenn es sich nur darum handelt, von jemandem erkannt zu werden, gut, so ist hierzu der Sattel genug; er ist hinlänglich bemerkbar. Was das Pferd anbelangt, so werden wir für sein Verschwinden bald eine Entschuldigung ausfindig machen. Was Teufel, ein Pferd stirbt bald; nehmen wir an, das meinige bekam den Rotz oder den Wurm.« D'Artagnans Gesicht wurde nicht heiterer. »Das ist mir unangenehm,« fuhr Athos fort, »daß Ihr soviel auf dieses Tier zu halten scheint, denn ich bin mit meiner Geschichte noch nicht zu Ende.«
»Was habt Ihr also noch weiter getan?«
»Als ich mein Pferd verspielt hatte, neun gegen zehn, seht nur den Wurf, so kam es mir in den Sinn, um das Eurige zu spielen.«
»Ja, doch hoffe ich, blieb es bei dem bloßen Gedanken?«
»Nein, ich habe ihn auf der Stelle ausgeführt.«
»Ha, zum Kuckuck!« rief d'Artagnan beunruhigt.
»Ich spielte und verlor.«
»Mein Pferd...«
»Euer Pferd, sieben gegen acht; nur ein Auge Unterschied... Ihr kennt das Sprichwort?«
»Athos, Ihr seid nicht bei Sinnen, das schwöre ich.«
»Mein Lieber, das hättet Ihr mir gestern sagen sollen, wo ich Euch die dummen Histörchen erzählte, nicht diesen Morgen. Ich verspielte also das Pferd samt Sattel und Zeug.«
»Aber das ist schrecklich!«
»Wartet nur, Ihr urteilt nicht aus dem rechten Gesichtspunkt; ich wäre ein ausgezeichneter Spieler, wenn ich nicht meinen Kopf aufsetzte, aber das tue ich gerade wie beim Trinken. Ich setzte also meinen Kopf auf.«
»Wie konntet Ihr denn spielen? Es blieb Euch ja nichts mehr übrig?«
»Ja doch, mein Freund! es blieb Euch noch der Diamant übrig, den ich gestern an Eurem Finger schimmern sah.«
»Dieser Diamant?« rief d'Artagnan und griff lebhaft mit der Hand nach seinem Ring.
»Und da ich Kenner bin, indem ich einst selbst welche besaß, so habe ich ihn auf tausend Pistolen geschätzt.«
»Ich hoffe,« sprach d'Artagnan ernst und halbtot vor Bangen, »Ihr habt keine Erwähnung von meinem Diamanten gemacht?«
»Im Gegenteil, lieber Freund! Ihr begreift wohl, dieser Diamant wurde unsere einzige Zuflucht, mit ihm konnte ich Pferde und Zeug und selbst Geld für unsere Reise gewinnen.«
»Athos, Ihr macht mich schaudern,« sagte d'Artagnan.
»Ich sprach also von Eurem Diamanten mit meinem Gegner, der ihn gleichfalls bemerkt hatte. Zum
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