Die drei Musketiere
Schwäche des Feindes. Auf drei Schüsse fielen immer zwei Mann, und dennoch wurde der Schritt der Übrigbleibenden nicht langsamer. Als die Feinde am Fuße der Bastei ankamen, zählten sie nur noch zwölf bis fünfzehn Mann. Sie bestanden ein letztes Feuer, ließen sich aber nicht aufhalten. Sie sprangen in den Graben, um auf die Bresche zu klettern.
»Auf, Freunde!« rief Athos, »führen wir den letzten Schlag. Zur Mauer! Zur Mauer!« Die vier Freunde nebst Grimaud stemmten sich mit den Gewehrläufen an einen großen Mauerflügel, der sich überneigte, als ob ihn der Sturmwind erfaßte, von seiner Grundlage losließ und mit furchtbarem Getöse in den Graben stürzte. Sofort hörte man ein entsetzliches Geschrei, eine Staubwolke wogte zum Himmel empor, und alles war vorüber. »Haben wir sie wirklich vom ersten bis zum letzten zermalmt?« rief Athos. »Meiner Treu, so scheint es,« entgegnete d'Artagnan. »Nein,« sagte Porthos, »seht, dort suchen sich noch zwei oder drei hinkend fortzuschleppen.« In der Tat entflohen drei oder vier von den Unglücklichen, mit Kot und Blut bedeckt, in den Hohlweg, und gelangten in die Stadt. Das war alles, was von dem kleinen Haufen übrigblieb. Athos sah auf seine Uhr und sagte: »Meine Herren, jetzt sind wir eine Stunde hier, und haben unsere Wette gewonnen, aber wir mußten wacker spielen; übrigens hat uns d'Artagnan noch nicht seinen Gedanken mitgeteilt.« Nach diesen Worten setzte sich der Musketier mit seiner gewöhnlichen Kaltblütigkeit zu den Überresten des Frühmahls. »Ihr wollet meinen Plan wissen,« sagte d'Artagnan zu seinen drei Freunden, als sie nachder Niederlage der kleinen Truppe Rocheller wieder beim Schmause saßen. »Ja,« versetzte Athos, »Ihr sagtet, daß Euch ein Gedanke gekommen sei.«
»Richtig, er fällt mir wieder ein,« sagte d'Artagnan. »Ich reise abermals nach England, suche Herrn von Buckingham auf. und sage ihm von dem Komplott, das gegen ihn geschmiedet wird.«
»Ihr werdet das nicht tun, d'Artagnan,« sprach Athos kalt. »Warum nicht? Habe ich es nicht schon einmal getan?«
»Jawohl, doch damals lagen wir nicht im Krieg, und Herr von Buckingham war noch ein Verbündeter von uns, und nicht ein Feind. Was Ihr da tun wollet, würde Euch als Verrat angerechnet.« D'Artagnan begriff das Gewicht dieses Urteils und schwieg. »Mir scheint aber,« sagte Porthos, »daß ich gleichfalls einen Gedanken habe. Ich nehme einen Urlaub von Herrn von Tréville unter irgend einem Vorwand, den Ihr finden werdet, da ich eben nicht stark bin in Vorwänden. Mylady kennt mich nicht. Ich nähere mich ihr, ohne daß sie mich fürchtet, und wenn ich meine Schöne antreffe, so will ich sie erwürgen.«
»Ei,« sagte Athos. »ich bin nicht ganz abgeneigt, der Ansicht von Porthos beizustimmen.«
»Pfui,« rief Aramis, »eine Fran umbringen! Hört, ich habe den wahren Gedanken.«
»So sprich, Aramis,« versetzte Athos, der für den jungen Musketier große Achtung hatte. »Man müßte der Königin davon Nachricht geben.«
»Ah, meiner Treu, ja,« riefen zu gleicher Zeit Porthos und d'Artagnan; »ich glaube, wir haben das rechte Mittel.«
»Der Königin Nachricht geben?« fragte Athos, »und wie das? Haben wir denn Verbindungen bei Hofe? Können wir jemanden nach Paris schicken, ohne daß man es im Lager erfährt? Von hier nach Paris sind hundertvierzig Meilen, unser Brief wäre noch nicht in Angers, und wir säßen schon im Kerker.«
»Was das betrifft, Ihrer Majestät mit Sicherheit einen Brief zu übermitteln,« sprach Aramis errötend, »so nehme ich es auf mich, da ich in Tours eine geschickte Person kenne...«
Aramis hielt inne, als er sah, daß Athos lächelte. »Nun, Athos. seht Ihr das nicht ein?« fragte d'Artagnan. »Ich bin nicht gänzlich dagegen,« erwiderte Athos, »ich wollte aber Aramis nur bemerken, daß er das Lager nicht verlassen kann; daß keiner von uns sicher ist. daß zwei Stunden nach Abgang des Boten alle Euren Brief auswendig wissen, und daß man Euch und Eure geschickte Person ins Gefängnis setzen wird.«
»Abgesehen davon,« sagte Porthos, »daß die Königin wohl Herrn von Buckingham, aber nicht auch uns retten wird.«
»Meine Herren,« sprach d'Artagnan, »was Porthos einwendet, ist ganz vernünftig.«
»Ha, ha, was geht denn in der Stadt vor?« rief Athos. »Man schlägt den Generalmarsch.« Die vier Freunde horchten, der Trommelschlag drang wirklich bis zu ihnen. »Ihr werdet sehen,« sprach Athos, »man wird ein ganzes
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