Die drei Musketiere
sichtlich, und ich pflichte d'Artagnans Ansicht bei; ich denke, wir hätten keine Zeit zu verlieren, um noch ins Lager zurückzukommen.«
»Meiner Treu!« sagte Athos, »ich wende nichts ein gegen den Rückzug. Grimaud war mit dem Korb und Nachtisch schon vorausgegangen. Die Freunde folgten hinter ihm her. und machten etwa zehn Schritte, als Athos rief: »Zum Teufel! meine Herren, was tun wir denn?«
»Hast du noch etwas vergessen?« fragte Aramis. »Donnerwetter, die Fahne! Man soll in des Feindes Hand keine Fahne lassen, wäre es auch nur eine Serviette.«
Athos stürzte in die Bastei, kletterte auf die Höhe und riß die Fahne herab. Als aber die Rocheller bis zur Schußweite herangerückt waren, eröffneten sie ein schreckliches Feuer auf diesen Mann, der sich den Kugeln gleichsam zu seinem Vergnügen aussetzte. Es war aber, als ob Athos einen Talisman bei sich trüge; denn die Kugeln pfiffen an ihm vorbei, ohne daß ihn eine einzige traf. Athos schwang seine Fahne, während er den Leuten von der Stadt den Rücken zuwandte und die im Lager begrüßte; von der einen Seite ertönte Geschrei der Wut und von der andern Jubel des Enthusiasmus. Auf die erste Ladung erfolgte eine zweite, drei Kugeln durchlöcherten die Serviette, und machten sie wirklich zu einer Fahne. Man vernahm von dem ganzen Lager das Geschrei: »Herab, herab!« Athos sprang herab; seine Freunde, die schon ängstlich seiner warteten, sahen ihnzu ihrer größten Freude wieder zum Vorschein kommen. »Schnell, Athos, schnell,« rief d'Artagnan, »rasch von hinnen; jetzt, wo wir alles gefunden haben, bis auf das Geld, wäre es töricht, sich totschießen zu lassen.« Doch Athos schritt fortwährend majestätisch einher, und als seine Freunde sahen, daß jede Bemerkung vergeblich war, so richteten sie ihren Gang nach dem seinigen ein. Grimaud und sein Korb waren bereits voraus und schon außerhalb der Schußweite. Gleich darauf hörte man ein furchtbares Gewehrfeuer knallen. »Was ist das?« fragte Porthos, »und auf wen schießen sie? Ich höre keine Kugeln mehr sausen und sehe niemand.«
»Sie schießen auf unsere Toten,« entgegnete Athos. »Doch unsere Toten werden nicht antworten.«
»Allerdings, dann fürchten sie einen Hinterhalt, und beratschlagen, sie schicken einen Parlamentär ab, und wenn sie den Spaß merken, sind wir schon außer dem Bereich der Kugeln. Es ist daher unnötig, daß wir uns durch zu große Eilfertigkeit ein Seitenstechen zuziehen.«
»O, jetzt begreife ich,« sagte Porthos verwundert. »Das ist ein Glück,« versetzte Athos, die Achseln zuckend. Als die Franzosen ihre vier Freunde zurückkehren sahen, erhoben sie ein Jubelgeschrei.
Endlich ließ sich ein neues Musketenfeuer vernehmen, die Kugeln prallten jetzt rings um die vier Freunde an die Kieselsteine, und sausten bedrohlich an ihre Ohren. Die Rocheller bemächtigten sich der Bastei. »Diese Leute sind doch recht ungeschickt,« sprach Athos. »Wie viele haben wir niedergemacht?«
»Zwölf oder fünfzehn.«
»Wie viele haben wir mit der Mauer zermalmt?«
»Acht oder zehn.«
»Gegen alles das nicht einmal eine Schramme; doch halt, was habt Ihr an der Hand, d'Artagnan? Blut, wie mir dünkt.«
»Es ist nichts,« erwiderte d'Artagnan. »Eine verirrte Kugel?«
»Selbst nicht das.«
»Was also?« Wir sagten es schon einmal, Athos liebte d'Artagnan wie sein eigenes Kind, und dieser düstere, unbeugsame Charakter hegte bisweilen für den jungen Mann eine väterliche Fürsorge. »Es ist eine Verletzung der Haut,« entgegnete d'Artagnan; »mein Finger wurde zwischen zwei Steine geklemmt, zwischen den der Mauer und den meines Ringes und das hat die Haut geritzt.«
»Das hat man davon, wenn man Diamanten trägt,« sagte Athos verächtlich, »Ha doch,« rief Porthos, »er hat einen Diamant? Was Teufel klagen wir über Mangel an Geld, da er einen Diamant hat?«
»Ja, es ist wahr,versetzte Aramis. »Ganz wohl, Porthos, diesmal habt Ihr meinen Gedanken.«
»Allerdings,« erwiderte Porthos, der sich bei Athos' Kompliment aufblähte, »da er einen Diamant hat, so wollen wir ihn verkaufen.«
»Es ist aber der Diamant der Königin,« entgegnete d'Artagnan. »Das ist noch ein Grund mehr,« antwortete Athos. »Die Königin rettet Herrn Buckingham, nichts ist billiger als das; die Königin rettet uns, ihre Freunde, und nichts ist moralischer als das. Wirverkaufen den Diamant. Was hält Herr Aramis von der Sache? Ich frage auch nicht Porthos, da er seine Ansicht schon
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