Die drei Musketiere
doch endlich heran; die Trinkstuben füllten sich mit Zechern. Athos, der seinen Anteil an dem Diamant in die Tasche gesteckt hatte, kam vom »Parpaillot« nicht mehr weg. Übrigens fand er an Herrn von Busigny, der ihnen ein köstliches Mittagmahl bestellt hatte, einen würdigen Zechbruder. Sie spielten gewöhnlich mitsammen, bis es sieben Uhr schlug; man hörte die Patrouillen vorüberziehen, welche die Posten verdoppelten. Um halb acht Uhr schlug man zum Rückzug.
»Wir sind verloren,« flüsterte d'Artagnan in Athos' Ohren.
»Ihr wollet sagen, wir haben verloren,« entgegnete Athos gelassen, und warf zehn Louisdor auf den Tisch, die er aus seiner Tasche genommen hatte. »Auf, meine Herren,« rief er, »man trommelt den Rückzug, gehen wir zu Bett.« Athos ging vom »Parpaillot« hinweg und d'Artagnan folgte ihm, Aramis reichte Porthos den Arm und schritt hinter ihnen her. Aramis murmelte Verse, und Porthos zupfte sich von Zeit zu Zeit aus Verzweiflung einige Haare aus dem Schnurrbart. Auf einmal aber zeigte sich in der Dunkelheit ein Schatten, dessen Umrisse d'Artagnan bekannt waren, und eine Stimme rief:
»Gnädiger Herr, ich bringe Ihnen Ihren Mantel, denn der heutige Abend ist kühl.«
»Planchet!« schrie d'Artagnan, vor Freude berauscht.
»Planchet!« riefen Porthos und Aramis.
»Nun ja, Planchet,« sagte Athos, »was gibt es da zu verwundern? Er hat ja versprochen, um acht Uhr zurückzukommen, und eben schlägt es acht Uhr! Bravo, Planchet! Du bist ein Bursche, der Wort hält, und trittst du je aus deinem Dienste, so will ich dich aufnehmen.«
»O, nein, niemals,« entgegnete Planchet, »ich werde Herrn d'Artagnan nie verlassen.«
In diesem Moment fühlte d'Artagnan, daß ihm Planchet ein Briefchen in die Hand schob. D'Artagnan empfand große Lust, Planchet zu umarmen; allein er fürchtete, dieser Beweis seiner Liebe gegen seinen Lakai auf offener Straße möchte einen Vorübergehenden befremden, und er hielt an sich. »Ich habe das Briefchen,« sprach er zu Athos und den andern Freunden.
»Das ist gut,« versetzte Athos,»kehren wir heim, um es zu lesen.« Das Briefchen glühte in d'Artagnans Hand. Er wollte seine Schritte verdoppeln, doch Athos faßte ihn bei der Hand, und so mußte der junge Mann gleichen Schritt mit seinem Freunde gehen. Endlich gelangte man in das Zelt, und zündete eine Lampe an. Während Planchet bei der Tür stehenblieb, damit die vier Freunde nicht überrascht würden, erbrach d'Artagnan mit bebender Hand das Siegel und eröffnete den heißersehnten Brief: Er enthielt eine halbe Zeile in echt britischer Schrift, und mit lakonischer Kürze. Thank you; be easy; das heißt: »Ich danke Euch; seid ruhig.« Athos nahm den Brief aus d'Artagnans Händen, hielt ihn zur Lampe hin, brannte ihn an, und ließ ihn nicht aus den Augen, bis er in Asche verwandelt war. Dann rief er Planchet und sprach:
»Jetzt, mein Lieber, kannst du siebenhundert Livres erlangen; doch wagtest du nicht viel mit einem Briefchen, wie das hier war.«
»Ich habe nichtsdestoweniger alle möglichen Mittel ersonnen, um es zu bewahren,« versetzte Planchet.
»Erzähle uns nun,« sagte d'Artagnan.
»O, das dauert lang, mein Herr!«
»Du hast recht, Planchet, außerdem hat man den Rückzug geschlagen, und man würde uns bemerken, wollten wir länger als die andern Licht brennen.«
»Wohlan,« sprach d'Artagnan, »wir begeben uns zur Ruhe. Planchet, schlaf wohl.«
Fatalitäten.
Inzwischen war Mylady, die auf dem Verdeck gleich einer Löwin schnaubte, die eingeschifft wird, in Versuchung gekommen, sich in das Meer zu werfen, um wieder an die Küste zu schwimmen; sie konnte ja den Gedanken nicht ertragen, daß sie von d'Artagnan beleidigt, von Athos bedroht worden war, und nun Frankreich verlassen sollte, ohne sich an ihnen gerächt zu haben. Dieser Gedanke wurde ihr alsbald so unausstehlich, daß sie auf die Gefahr hin, was auch Schreckliches erfolgen möge, den Kapitän bat, er wolle sie ans Land setzen; da aber dieser zwischen die französischen und englischen Kreuzer gestellt war, wie die Fledermaus zwischen die Ratten und Vögel, so lag ihm alles daran, sobald als möglich England zu erreichen. Infolgedessen weigerte er sich standhaft, dem nachzugeben, was er für eine Frauenlaune hielt, versprach aber seiner Reisenden, die ihm vom Kardinal besonders empfohlen worden war, er werde sie, wenn es das Meer und die Franzosen gestatten würden, in einem von den Häfen der Bretagne, entweder in Lorient oder in
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