Die drei Musketiere
Aramis, »daß nur Bazin diesen Brief nach Tours bestellen kann. Meine Base kennt bloß Bazin und setzt nur in ihn Vertrauen. Bei jedem andern würde die Sache scheitern. Außerdem ist Bazin ehrsüchtig und gelehrt; er hat die Geschichte gelesen, meine Herren, er weiß, daß Sixtus V. Papst geworden, nachdem er vormals die Schweine gehütet hatte, und hofft selbst einmal etwas Tüchtiges zu werden. Begreift Ihr wohl? Ein Mensch mit solchen Hoffnungen läßt sich nicht fangen, und wenn er auch ergriffen wird, so erduldet er lieber den Märtyrertod, als er sprechen würde.«
»Ganz wohl,« versetzte d'Artagnan, »ich will gern Bazin gelten lassen, wenn Ihr mir Planchet gelten lasset. Mylady trieb ihn einmal mit dem Stock aus dem Haus. Aber Planchet hat ein gutes Gedächtnis, undkann er auf irgend eine Rache bauen, so ließe er sich lieber lebendig rädern, als daß er Verzicht darauf leisten wollte. Sind die Angelegenheiten von Tours die Eurigen, Aramis, so sind jene von London die meinigen. Ich bitte somit, Planchet zu wählen, der ohnedies schon einmal mit in London war, und ganz verständlich spricht: London, Sir, if you please, und my master, Lord d'Artagnan. Seid unbekümmert, damit findet er seinen Weg dahin und wieder zurück.«
»Für diesen Fall«, sagte Athos, »muß Planchet siebenhundert Livres für die Hinreise und siebenhundert für die Rückreise erhalten, sowie Bazin dreihundert für die Hinreise und wieder dreihundert für die Rückreise. Damit sinkt nun die Summe auf fünftausend Livres herab. Wir nehmen jeder tausend Livres, um sie nach Belieben zu verwenden, und bewahren uns noch einen Fonds von tausend Livres, den Aramis für ungewöhnliche Fälle oder gemeinschaftliche Bedürfnisse in Händen behält. Ist Euch das recht?«
Man berief Planchet und gab ihm die nötigen Weisungen. Er wurde von d'Artagnan unterrichtet, der mit ihm ernstlich von Reisen, dann von dem Geld und zuletzt von der Gefahr sprach. »Ich will den Brief in meinem Rocklatze tragen,« sagte Planchet, »und ihn verschlingen, wenn man ihn mir zu entreißen versucht.«
»Dann kannst du aber deinen Auftrag nicht vollziehen,« versetzte d'Artagnan.
»Geben Sie mir diesen Abend eine Abschrift, daß ich sie auswendig lerne.« D'Artagnan blickte auf seine Freunde, als wollte er sie fragen:
»Nun, was habe ich Euch versprochen?«
»Du hast acht Tage,« fuhr er fort, zu Planchet gewendet, »um zu Lord Winter zu gelangen, und wieder acht Tage, um hierher zurückzukehren, also im ganzen sechzehn Tage. Bist du am sechzehnten Tage nach deiner Abreise bis Abends nicht zurückgekehrt, so bekommst du kein Geld und wäre es acht Uhr fünf Minuten.«
»Nun, gnädiger Herr,« versetzte Planchet, »so kaufen Sie mir eine Uhr.« In dem Moment, als Planchet am folgenden Morgen zu Pferde steigen wollte, berief ihn d'Artagnan, der für den Herzog von Buckingham eine gewisse Vorliebe empfand.
»Höre mich, sobald du Lord Winter den Brief eingehändigt hast, und er ihn gelesen hat, so sage ihm ferner: ›Behüten Sie Seine Herrlichkeit den Lord Buckingham, denn man will ihn umbringen.‹– Doch sieh, Planchet, das ist so ernst und so wichtig, daß ich es nicht einmal meinen Freunden anvertrauen wollte, ja nicht einmal für eine Kapitänsstelle zu Papier bringen möchte.«
»Seien Sie ruhig, mein Herr,« entgegnete Planchet, »Sie sollen sehen, ob man auf mich bauen kann.« Er bestieg sein vortreffliches Pferd, das er zwanzig Meilen von da aufgeben mußte, um die Post zu nehmen, und sprengte hinweg, das Herz ein wenig beklommen durch das für ihn traurige Versprechen, das die Musketiere getan hatten, im Grunde aber doch heiter gestimmt.
Bazin ging erst am folgenden Morgen nach Tours ab und hatte acht Tage Zeit zur Besorgung seines Auftrags. Am Morgen des achten Tages trat Bazin aufgeräumt und lächelnd, wie gewöhnlich, in das Wirtshaus »Zum Parpaillot« ein, wo eben die vier Freunde beim Frühmal saßen, und sagte laut der Verabredung: »Herr Aramis, hier ist die Antwort Ihrer Base.« Die vier Freunde wechselten einen frohen Blick, die Hälfte des Geschäftes war abgetan, doch war es das kürzeste und leichteste. Aramis errötete unwillkürlich, als er den Brief nahm, der von plumper Handschrift und ohne Orthographie war.
»Guter Gott!« rief er lachend, »ich muß wahrscheinlich noch verzweifeln, die arme Michon wird doch nie schreiben lernen, wie Herr von Voiture.« Inzwischen verging der Tag und der Abend kam noch langsamer, er kam aber
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