Die drei Musketiere
fühlte, wie ihm die Knie zitterten, und wie der Schweiß an seiner Stirn perlte. »Sie haben mir versprochen, ein Messer zu bringen, und es mir nach unserer Unterredung zu lassen.«
»O, reden Sie nicht solches, Madame,« sagte Felton, »es gibt keine Lage, die so entsetzlich wäre, daß sie ein Geschöpf Gottes berechtigt, sich selbst den Tod zu geben. Ich habe das bei mir bedacht, und könnte mich nie einer solchen Schuld teilhaftig machen.«
»Ha, Sie haben das bedacht,« rief die Gefangene, indem sie sich verächtlich lächelnd in ihrem Lehnstuhl warf. »Auch ich habe es bedacht.«
»Was?«
»Daß ich einem Menschen nichts zu sagen habe, der sein Wort nicht hält.«
»Ach, mein Gott!« stammelte Felton. »Sie können wieder fortgehen, ich werde nichts sprechen.«
»Hier ist das Messer,« sagte Felton und zog die Waffehervor. »Lassen Sie sehen,« sprach Mylady. »Was wollen Sie damit tun?«
»Auf meine Ehre, ich stelle Ihnen das Messer sogleich wieder zurück. Sie legen es auf diesen Tisch, und bleiben zwischen ihm und mir.« Felton übergab Mylady die Waffe, sie prüfte bedächtig die Schärfe und versuchte an ihren Fingern die Spitze. »Gut,« sprach sie und reichte dem jungen Offizier das Messer zurück. »Das ist ein guter und hübscher Stahl, Felton. Sie sind ein getreuer Freund.« Felton nahm die Waffe und legte sie auf den Tisch, wie er mit der Gefangenen übereingekommen war. Mylady folgte ihm mit den Augen und zeigte eine Miene der Zufriedenheit. »Felton,« sprach Mylady in einem feierlich-melancholischen Tone, »Felton, wenn Ihre Schwester, die Tochter Ihres Vaters, zu Ihnen sprechen würde: ,Da ich noch jung und für das Unglück ziemlich schön war, hatte man mich in eine Schlinge gelockt, wiewohl ich widerstrebte; man verdoppelte die Fallstricke, die Hinterhalte, die Gewaltstreiche rings um mich – ich widerstrebte; man lästerte die Religion, der ich zugetan bin, den Gott, den ich anbetete – ich widerstrebte; dann überschüttete – man mich mit Schimpf, und weil man meine Seele nicht zu verderben im stande war, so wollte man meinen Leib für immer brandmarken: endlich...'« Mylady hielt inne, ein bitteres Lächeln schwebte über ihre Lippen. »Endlich,« wiederholte Felton, »was geschah endlich?«
»Endlich beschloß man eines Abends, dieses Widerstreben zu lähmen, weil man es nicht zu gewältigen vermochte, man vermengte mein Wasser mit einer narkotischen Substanz; ich hatte mein Mahl kaum eingenommen, so wurde ich schon von einem seltsamen Schlaf befallen, wiewohl ich kein Mißtrauen faßte, so ergriff mich doch eine gewisse Angst, und ich suchte den Schlaf zu bekämpfen; ich stand auf, und wollte zum Fenster eilen und um Hilfe rufen, doch meine Beine versagten mir den Dienst, mir kam vor, als stürzte der Plafond auf mich nieder; ich streckte den Arm aus und versuchte zu sprechen; allein ich konnte nur unartikulierte Töne ausstoßen; mich befiel eine unabwendbare Erstarrung, ich stützte mich an einen Stuhl, da ich mich dem Fallen nahe fühlte, aber alsbald war diese Stütze für meine schwachen Arme nicht mehr hinreichend, ich sank auf ein Knie, dann auf beide, ich wollte beten, doch meine Zunge war zu Eis erstarrt. Zweifelsohne sah und hörte mich Gott nicht, und ich glitt auf den Boden als Beute des Schlafes, der dem Tode glich. Ich habe von alledem keine Erinnerung mehr, was in diesem Schlafe vorging, ich weiß nur noch, daß ich in einem runden, reich geschmückten Zimmer erwachte, in welches das Tageslicht durch eine Öffnung in der Decke drang. Keine Tür schien da angebracht, so daß man es für ein herrliches Gefängnis hätte halten mögen. Mir kam der Zustand, in dem ich mich befand, eine Zeitlang so seltsam vor, daß ich zu träumenwähnte. Allein die Wirklichkeit stellte sich allmählich schreckenvoll vor mich; ich war nicht mehr in dem Hause, welches ich sonst bewohnte; insoweit ich es nach dem Sonnenlicht zu beurteilen vermochte, war der Tag bereits zu zwei Drittel vorüber; am Abend vorher war ich eingeschlummert, und so hat mein Schlaf vierundzwanzig Stunden gewährt. Was war in dieser langen Zwischenzeit vorgegangen? Ich erhob mich schwankend. Alle meine langsamen und gehemmten Bewegungen deuteten an, daß der Einfluß des narkotischen Mittels noch nicht zu Ende war. Übrigens war das Zimmer zur Aufnahme eines weiblichen Wesens eingerichtet, und der empfindsamsten Kokette wäre kein Wunsch übriggeblieben, den sie nicht erfüllt gesehen hätte, wenn sie die
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