Die drei Musketiere
erweckt hat.
Sie ward von einer sanften Stimme aufgeweckt, die am Fuß ihres Bettes ertönte. Mylady schlug die Augen auf, und sah die Äbtissin, begleitet von einer jungen Frau mit blonden Haaren und zartem Teint, die einen Blick voll wohlwollender Neugierde auf sie richtete. Das Gesicht der jungen Frau war ihr gänzlich unbekannt. Beide blickten sich forschend und mit ängstlicher Aufmerksamkeit an, indes sie sich wechselweise begrüßten. Beide waren sehr schön, nur war ihre Schönheit verschiedenartig. Die Äbtissin stellte sie gegenseitig vor, und als diese Förmlichkeiten vorüber waren, ließ sie die beiden jungen Frauen allein, da sie ihre Pflicht in die Kirche berief. Da die Novize sah, daß Mylady noch im Bett liege, wollte sie der Äbtissin folgen, doch Mylady hielt sie zurück und sagte: »Wie doch, Madame, ich habe Sie noch kaum gesehen, und schon wollen Sie mich wieder Ihrer Gegenwart berauben, auf die ich, freigestanden, während meines Aufenthalts an diesem Ort ein bißchen gerechnet habe.«
»Nein, Madame,« erwiderte die Novize, »ich fürchte nur, die Zeit schlecht gewählt zu haben; Sie schliefen und sind ermüdet.«
»Wohl,« entgegnete Mylady, »was kann Schlafenden Angenehmeres zu teil werden, als ein gutes Erwachen? Dieses Erwachen wurde mir durch Sie zu teil; lassen Sie es mich nun genießen.« Hiermit faßte sie die junge Frau bei der Hand und zog sie auf einen Stuhl, der neben ihrem Bette stand. Die Novize setzte sich und sprach: »Ach, Gott! wie unglücklich bin ich nicht! Sechs Monate lang lebe ich bereits hier ohne einen Schatten von Zerstreuung; Sie kommen an; Ihre Gegenwart sollte für mich eine freundliche Gefährtin sein, und wahrscheinlich, muß ich in den nächsten Augenblicken schon das Kloster verlassen.«
»Wie,« versetzte Mylady, »Sie gehen bald von hier weg?«
»Ich hoffe es wenigstens,« antwortete die Novize mit einem Tone der Freude, die sie ganz und gar nicht zu verhehlen suchte. »Sie hatten viel auszustehen, wie ich gehört habe,« fuhr Mylady fort; »das ist ein Grund mehr zur Sympathie zwischen uns beiden.«
»Ist es also wahr, was mir unsere fromme Mutter gesagt hat – Sie sind gleichfalls ein Opfer des Kardinals?«
»Stille,« sagte Mylady, »wir dürfen selbst hier nicht von ihm sprechen. Mein ganzes Unglück rührt davon her, daß ich ungefähr das, was Sie zu mir sagen, in Gegenwart einerFrau gesprochen habe, die ich für meine Freundin hielt, die mich aber verraten hat. Sind nicht auch Sie ein Opfer der Verräterei?«
»Nein,« erwiderte die Novize, »sondern meiner Anhänglichkeit an eine Frau, die ich liebte, für die ich mein Leben hingegeben hätte, und auch noch jetzt hingeben würde.«
»Und die Sie dann verlassen hat, nicht so?«
»Ich war ungerecht genug, das zu erwähnen, doch seit einigen Tagen erhielt ich den Beweis vom Gegenteil und danke Gott dafür. Ich wäre darüber gestorben, hätte ich glauben müssen, daß sie mich ganz und gar vergessen hat. Allein Sie, Madame,« fuhr die Novize fort, »Sie scheinen mir frei zu sein, und wenn Sie fliehen wollten, so stände das nur bei Ihnen.«
»Aber wohin sollte ich denn gehen – ohne Freunde, ohne Geld, in einem Teile Frankreichs, den ich nicht kenne...«
»O,« entgegnete die Novize, »was die Freunde betrifft, so werden Sie dieselben überall finden, wo Sie nur wollen, da Sie so gut zu sein scheinen und so schön sind.«
»Ich bin aber darum nicht weniger allein und verfolgt,« sprach Mylady mit einem so milden Lächeln, daß es wahrhaft einen seraphischen Ausdruck annahm, »hören Sie,« sagte die Novize, »man muß seine Hoffnung auf den Himmel setzen. Sehen Sie, es kommt immer ein Moment, wo das Gute, das wir getan, vor Gott zu Gunsten unserer Sache spricht, und vielleicht ist es ein Glück für Sie, daß Sie, wie niedrig auch meine Stellung sei, und wie wenig Macht ich habe, mich getroffen haben; denn wenn ich diesen Ort verlasse, so werde ich einige mächtige Freunde haben, die auch für Sie zu Felde ziehen können, nachdem sie für mich ins Feld gerückt sind.«
»O, wenn ich gesagt habe, daß ich allein sei,« versetzte Mylady, in der Hoffnung, wenn sie selber spräche, würde sie auch die Novize zum Sprechen auffordern, »so bemerke ich das keineswegs, als hätte ich nicht auch Bekanntschaften, sondern weil diese Bekanntschaften vor dem Kardinal zittern. Selbst die Königin wagt es nicht, mir gegen diesen Mächtigen beizustehen.«
»Glauben Sie mir, Madame, es kann bei der
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