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Die drei Musketiere

Titel: Die drei Musketiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Dumas
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darf man die Menschen doch nicht nach ihrem Gesicht beurteilen.«
    »Gut,« sprach Mylady zu sich selbst, »wer weiß, hier kann ich vielleicht etwas entdecken.«
    »Ach, ich weiß es wohl,« versetzte Mylady, »man sagt, daß den Physiognomien nicht zu trauen sei. Wem soll man aber Glauben schenken, wenn nicht dem schönen Werke des Herrn? Was mich anbelangt, so wird man mich mein ganzes Leben lang hintergehen, allein, ich werde jederzeit einem Menschen vertrauen, wenn mir sein Gesicht Teilnahme einflößt.«
    »Sie sind also geneigt, diese junge Frau für schuldlos zu halten?« fragte die Äbtissin. »Man pflegt nicht bloß immer die Verbrechen zu bestrafen, versetzte Mylady, »es gibt gewisse Tugenden, die oft heftiger als gewisse Frevel verfolgt werden.«
    »Erlauben Sie, Madame,« sagte die Äbtissin, »daß ich mein Erstaunen ausdrücken darf.«
    »Worüber denn?« fragte Mylady in naivem Ton. »Über die Sprache, die Sie führen.«
    »Was finden Sie denn sonderbares in dieser Sprache?« fragte Mylady lächelnd. »Der Kardinal hat Siehierhergeschickt, und dennoch sprechen Sie von ihm – wenigstens nichts Gutes.«
    »Weil ich sein Opfer bin,« versetzte Mylady mit Seufzen. »Allein dieser Brief, worin er Sie mir empfiehlt...«
    »Ist für mich ein Befehl, daß ich in einer Art Gefängnis bleibe, bis er mich abfordern wird...«
    »Warum haben Sie aber nicht die Flucht ergriffen?«
    »Wohin mich flüchten? Glauben Sie wohl, es gibt irgendwo einen Ort auf Erden, wohin der Kardinal, wenn er seinen Arm ausstrecken wollte, nicht reichen würde? – hat die junge Kostgängerin zu entfliehen gesucht, die Sie bei sich haben?«
    »Nein, das ist wohl wahr, allein mit ihr verhält es sich ganz anders. Sie wird durch irgend eine Liebschaft in Frankreich zurückgehalten, wie ich glaube.«
    »Wenn sie liebt, ist sie nicht ganz unglücklich,« sprach Mylady seufzend. »So sehe ich denn,« fragte die Äbtissin und blickte Mylady mit steigender Teilnahme an, »so sehe ich denn wieder vor mir eine arme Verfolgte?«
    »Ach, ja!« erwiderte Mylady. Die Äbtissin betrachtete Mylady ein Weilchen mit großer Unruhe, als hätte sich in ihrem Geist ein neuer Gedanke geregt. Dann sagte sie: »Nicht wahr, Sie sind keine Feindin unseres heiligen Glaubens?«
    »Ich?« erwiderte Mylady, »ich eine Protestantin? Ich rufe Gott zum Zeugen, daß ich eine eifrige Katholikin bin.«
    »Dann, Madame,« entgegnete die Äbtissin lächelnd, »dann können Sie ruhig sein, denn das Haus, worin Sie sich befinden, soll für Sie kein harter Kerker sein, und wir wollen tun, was wir aus Kräften vermögen, um Ihre Gefangenschaft angenehm zu machen. Außerdem finden Sie hier die junge Frau, die zweifelsohne wegen einer Hofintrige verfolgt wird. Sie ist liebenswürdig, einnehmend und wird Ihnen gefallen.«
    »Wie heißt sie?«
    »Sie wurde von einer sehr vornehmen Person unter dem Namen Ketty empfohlen. Ihren andern Namen suchte ich nicht zu erfahren.«
    »Ketty?« murmelte Mylady, »sind Sie dessen gewiß?«
    »Daß sie sich so nennen läßt? Ja, Madame. Ist Sie Ihnen etwa bekannt?« Mylady lächelte bei dem Gedanken, daß diese junge Frau ihre vormalige Zofe sein könnte. In der Erinnerung an dieses Mädchen mengte sich eine Erinnerung des Zornes, und die Rachsucht verstörte sogleich Myladys Züge – doch nahm sie fast in demselben Moment wieder den ruhigen, wohlwollenden Ausdruck an, den sie ihren hundertfachen Gesichtern einverleibt hatte. »Wann könnte ich denn diese junge Dame sehen?« fragte Mylady, »ich empfinde für sie bereits eine große Sympathie in mir.«
    »Diesen Abend – noch heute,« antwortete die Äbtissin. »Da Sie aber, wie Sie sagten, schon vier Tage lang reisen uud diesen Morgen um fünf Uhr aufgestanden sind, so bedürfen Sie der Ruhe. Legen Sie sich zu Bett und schlafen Sie; wir wollen Sie gegen Mittag aufwecken.« Obwohl sich Mylady recht leicht des Schlafes hätte begeben können, da sie durch alle ihre Aufregungenunterstützt war, die ein neues Abenteuer in ihrem intrigensüchtigen Gemüt hervorbrachte, so nahm sie nichtsdestoweniger das Anerbieten der Äbtissin an. Sie war ja seit zehn bis vierzehn Tagen von so verschiedenartigen Gemütserschütterungen hergenommen, daß wenigstens ihre Seele der Ruhe bedurfte, wenn auch ihr eiserner Körper die Anstrengungen zu ertragen im stande war. Sie beurlaubte sich somit von der Äbtissin und legte sich zu Bett, sanft gewiegt durch die Rachegedanken, die natürlich der Name Ketty in ihr

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