Die drei Musketiere
heißt, die Königin selber durchsuchen. Der Kanzler näherte sich nun Anna von Osterreich, und sagte in zitterndem Ton und mit ganz verlegener Miene: »Jetzt bleibt mir noch die Hauptdurchsuchung übrig.«
»Welche?« fragte die Königin, die ihn nicht verstand, oder vielmehr nicht verstehen wollte. »Seine Majestät ist versichert, daß heute ein Brief von Ihnen geschrieben wurde, und weiß auch, daß derselbe noch nicht an seine Adresse gelangt ist. Dieser Brief findet sich nicht in Ihrem Tisch und Sekretär, und doch ist er irgendwo.«
»Sollten Sie es wagen, Hand an Ihre Königin zu legen?« sagte Anna von Österreich, indem sie sich mit stolzer Würde erhob und den Kanzler auf eine fast drohende Weise anblickte. »Ich bin ein getreuer Untertan des Königs, Madame! und alles, was Seine Majestät gebietet, werde ich tun.«
»Nun, das ist wahr,« entgegnete Anna von Österreich, »der Herr Kardinal wurde von seinen Kundschaftern gut bedient. Ich habe heute einen Brief geschrieben, der noch nicht abging, hier ist dieser Brief.« Die Königin griff mit der Hand in ihr Leibchen. »Madame!« sprach der Kanzler, »so geben Sie mir diesen Brief.«
»Ich will ihn nur dem König geben,« erwiderte Anna. »Hätte der König gewollt, daß ihm dieser Brief eingehändigt werde, so würde er ihn selbst abverlangt haben. Allein ich wiederhole Ihnen, er hat mir aufgetragen, ihn abzufordern, und sollten Sie mir denselben nicht geben...«
»Nun?«
»So habe ich gleichfalls den Auftrag, ihn zu nehmen.«
»Wie? was wollen Sie damit sagen?«
»Daß meine Befehle weit reichen, Madame, und daß ich berechtigt bin, das verdächtige Papier sogar an der Person Ew. Majestät zu suchen.«
»Wie schaudervoll!« rief die Königin. »Madame, wollen Sie sich also etwas leichter darein finden.«
»Dieses Betragen ist eine schmähliche Gewalttätigkeit! wissen Sie das. mein Herr?«
»Madame, entschuldigen Sie, der König befiehlt.«
»Ich werde es nicht zugeben, nein, nein, eher will ich sterben!« rief die Königin, bei der sich das kaiserliche Blut der Spanierin undÖsterreicherin empörte. Der Kanzler machte eine tiefe Verbeugung, dann näherte er sich mit der offenbaren Miene, keinen Zollbreit abzuweichen von der Vollziehung des erhaltenen Auftrags, und wie etwa ein Henkersknecht in der Folterkammer hätte tun mögen, Anna von Österreich, aus deren Augen man in diesem Moment Tränen der Wut hervorquellen sah. Die Königin war, wie schon bemerkt, eine große Schönheit. Der Auftrag konnte somit als ungemein delikat angesehen werden, allein der König war vermöge seiner Eifersucht gegen Buckingham auf den Punkt gekommen, daß er gegen niemand mehr eifersüchtig war. Der Kanzler Séguier suchte in diesem Moment zweifelsohne den Strick der Glocke mit den Augen, weil er ihn aber nicht fand, so faßte er seinen Entschluß und griff mit der Hand nach der Gegend hin, wo sich nach dem Geständnis der Königin das Papier befand. Anna von Österreich trat einen Schritt zurück und wurde so blaß, als müßte sie schon sterben, stemmte sich, um nicht umzusinken, mit der linken Hand an einen Tisch, der sich hinter ihr befand, zog mit der Rechten ein Papier aus ihrer Brust hervor und reichte es dem Siegelbewahrer, indem sie mit bebender Stimme sprach: »Nehmen Sie hier den Brief, nehmen Sie, und befreien Sie mich von Ihrer widerwärtigen Gegenwart.« Der Kanzler, der von einer Gemütsaufregung zitterte, die sich leicht begreifen läßt, nahm den Brief, verneigte sich bis zur Erde und entfernte sich. Die Tür war hinter ihm kaum geschlossen, als die Königin halb ohnmächtig in die Arme ihrer Frauen sank.
Der Kanzler brachte den Brief zum König, ohne daß er ein einziges Wort gelesen hatte. Der König empfing ihn mit bebender Hand, blickte nach der Adresse, die noch fehlte, wurde sehr blaß, entfaltete ihn langsam, und las ihn sehr rasch, als er an den ersten Worten ersah, daß er an den König von Spanien gerichtet sei. Es war durchaus ein Angriffsplan gegen den Kardinal. Die Königin forderte ihren Bruder und den Kaiser von Österreich auf, sich, von der Politik Richelieus verletzt, den Anschein zu geben, da er sich unaufhörlich mit der Erniedrigung des Hauses Österreich beschäftigte, als wollten sie Frankreich den Krieg erklären, und die Entfernung des Kardinals zur Bedingung des Friedens zu machen; doch von der Liebe ward in diesem Briefe nicht eine Silbe gesprochen. Der König war ganz erfreut darüber und erkundigte sich, ob der
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