Die drei Musketiere
hier Verräter, doch im Namen der heiligen Jungfrau schwöre ich Ihnen, daß Ihrer Majestät niemand so ergeben sein kann, wie ich es bin. Sie haben jene Nestelstifte, die der König verlangt, dem Herzog von Buckingham gegeben, nicht wahr? Diese Nestelstifte waren in einem Kistchen von Rosenholz verschlossen, das er unter seinem Arm trug. Irre ich? war es nicht so?«
»O, mein Gott, mein Gott!« murmelte die Königin, der vor Schrecken die Zähne klapperten.
»Nun, man muß diese Nestelstifte zurückbekommen,« fuhr Madame Bonacieux fort.
»Ja, ganz gewiß, das muß geschehen,« rief die Königin, »aber wie das anstellen, wie dahin gelangen?«
»Man muß jemand zu dem Herzog schicken.«
»Wen, aber wen? auf wen kann ich mich verlassen?«
»Schenken Sie mir Vertrauen, Madame, erweisen Sie mir die Ehre, und ich werde einen Boten auffinden.«
»Ich werde aber schreiben müssen.«
»Ach, ja, das ist unerläßlich. Zwei Worte von der Hand Ihrer Majestät und Ihr eigenes Siegel.«
»Doch diese paar Worte sind meine Verdammung, meine Ehescheidung, meine Verweisung.«
»Ja, wenn sie in ruchlose Hände geraten. Allein, ich bürge dafür, daß diese paar Worte an ihre Adresse gelangen.«
»Ach, meinGott; ich muß mein Leben, meine Ehre, meinen Ruf in Eure Hände legen.«
»Ja, Madame, ja, das muß geschehen, und ich werde alles das retten.«
»Allein wie? sagt mir nur das?«
»Mein Gemahl wurde vor zwei oder drei Tagen in Freiheit gesetzt und ich gewann noch nicht Zeit, ihn zu sehen; er ist ein braver, ehrbarer Mann, der niemand liebt und niemand haßt. Er wird das tun, was ich verlange; er wird auf mein Geheiß abreisen, ohne daß er es weiß, was er mit sich trägt, und den Brief Ihrer Majestät an seine Adresse abgeben, ohne daß er erfährt, er komme von Ihrer Majestät.« Die Königin faßte die beiden Hände der jungen Frau mit leidenschaftlicher Bewegung, blickte sie an, als wollte sie im Grund ihres Herzens lesen, und rief freudig erregt, mit dem Gefühl tiefer Dankbarkeit für die tapfere Frau:
»Tue das, du Treue, und du hast mir das Leben gerettet, du hast mir die Ehre gerettet!«
»O, überschätzen Sie nicht den Dienst, den ich Ihnen zu erweisen so glücklich bin; ich habe Ihrer Majestät nichts zu retten, die nur das Opfer schändlicher Komplotte ist.«
»Es ist wahr, mein Kind, es ist wahr!« entgegnete die Königin, »du hast recht.«
»Geben Sie also den Brief, Madame, die Zeit drängt.« Die Königin schrieb zwei Zeilen, versiegelte sie und übergab sie Madame Bonacieux.
»Doch jetzt,« sprach die Königin, »jetzt vergessen wir noch eine sehr notwendige Sache.«
»Welche?«
»Das Geld.« Madame Bonacieux lächelte.
»Ja, es ist wahr,« sprach sie, »und ich gestehe Ihrer Majestät, daß mein Gemahl...«
»Dein Gemahl hat keines, willst du sagen.«
»Allerdings hat er, doch ist er sehr geizig, das ist seine Schwachheit. Beunruhigen sich übrigens Ihre Majestät nicht, wir werden schon Mittel finden.«
»Ich habe ebenfalls keines,« versetzte die Königin. »Doch warte.« Anna von Österreich lief zu ihrem Schrank und sprach dann: »Hier ist ein Ring von großem Werte, wie man mir versichert; er kommt von meinem Bruder, dem König von Spanien; da er mir gehört, so kann ich darüber verfügen. Nimm also diesen Ring und mach ihn zu Geld, und dein Gemahl kann abreisen.«
»In einer Stunde soll Ihnen schon willfahrt sein.«
»Du siehst die Adresse,« fügte die Königin hinzu, und zwar so leise, daß man kaum hörte, was sie sprach: »An Mylord, Herzog von Buckingham in London.«
»Dieser Brief wird ihm selbst zugestellt werden.«
»Großherzige Seele!« rief Anna von Österreich. Madame Bonacieux küßte der Königin die Hände, versteckte das Papier in ihrem Leibchen und verschwand mit der Behendigkeit eines Vogels.
Zehn Minuten darauf war sie schon zu Hause. Wie sie der Königin sagte, hatte sie ihren Gemahl nicht gesehen, seit er in Freiheit gesetzt worden war, und wußte also nichts von der Veränderung, die in ihm in bezug auf den Kardinal vorgegangen war; eine Veränderung, die ihren Grund in der Schmeichelei und dem Gelde Seiner Eminenzhatte und seither durch einige Besuche des Grafen von Rochefort bestärkt wurde, der sich mit Bonacieux aufs innigste befreundete und ihn ohne viel Mühe den Glauben beibrachte, die Entführung seiner Frau geschah nicht infolge einer sträflichen Absicht, sondern sie sei bloß eine politische Vorsichtsmaßregel gewesen. Sie traf Herrn
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