Die drei Musketiere
Bonacieux allein an; der arme Mann hatte große Mühe, sein Hauswesen wieder in Ordnung zu bringen, da er fast alle Geräte zertrümmert, alle Schränke ausgeleert fand. Als der würdige Krämer in sein Haus zurückkehrte, meldete er seine Rückkehr in sein Haus allsogleich seiner Gemahlin, und diese hatte ihm hierauf glückwünschend geantwortet, daß sie den ersten Augenblick, wo sie sich ihrer Pflicht entziehen könnte, ganz allein ihn mit einem Besuch erfreuen werde. Die Betrachtungen des Bonacieux waren durchaus rosenfarbig. Rochefort nannte ihn seinen Freund, seinen lieben Bonacieux, und wiederholte ihm stets, daß der Kardinal große Stücke auf ihn halte. Der Krämer sah sich schon auf dem Pfade der Ehre, des Wohlstandes und des Glückes.
Auch Madame Bonacieux hatte ihre Betrachtungen angestellt, jedoch über etwas anderes als über den Ehrgeiz; ihre Gedanken bewegten sich stets unwillkürlich um jenen schönen, jungen Mann, der ihr so wacker und so verliebt geschienen hatte.
Obwohl sich die beiden Gatten seit mehr als acht Tagen nicht gesehen hatten, und obwohl während dieser Woche wichtige Ereignisse zwischen ihnen vorgefallen waren, so begegneten sie sich doch mit einer gewissen Spannung; nichtsdestoweniger offenbarte Herr Bonacieux eine aufrichtige Freude und ging seiner Frau mit offenen Armen entgegen. Madame Bonacieux bot ihm die Stirn zum Kuß und sagte: »Laß uns ein wenig sprechen.«
»Wie?« fragte Bonacieux erstaunt.
»Ja, gewiß, ich habe dir etwas höchst Wichtiges zu sagen.«
»Nun, auch, ich habe einige ziemlich ernste Fragen an dich zu stellen. Ich bitte dich, gib mir ein bißchen Aufschluß über deine Entführung.«
»In diesem Augenblick handelt es sich nicht um das,« versetzte Madame Bonacieux.
»Um was handelt es sich denn? um meine Gefangennehmung?«
»Ich wußte schon darum an dem nämlichen Tage; da du dich aber keines Verbrechens schuldig gemacht hast, so legte ich auf diesen Vorfall kein anderes Gewicht, als er verdiente.« Bonacieux war ein bißchen verletzt ob der geringen Teilnahme, die ihm seine Frau bewies, und sagte:
»Madame, Ihr sprecht da allerliebst; wisset Ihr wohl, daß ich einen Tag und eine Nacht lang in einem Kerker der Bastille geschmachtet habe?«
»Ein Tag und eine Nacht sind bald vorüber; lassen wir also deine Gefangenschaft beiseite und kommen wir auf das zurück, was mich hierher brachte.«
»Wie? was dich hierher brachte– war es also nicht die Sehnsucht, deinen Gatten wiederzusehen, von dem du acht Tage lang getrennt warst?« fragte der Krämer,noch empfindlicher verletzt.
»Zuerst von dem und dann von etwas anderm.«
»Sprich.«
»Es ist eine höchst wichtige Sache, von der vielleicht unser künftiges Glück abhängt.«
»Madame! seit wir uns nicht mehr gesehen, hat sich unser künftiges Glück bedeutsam geändert, und es sollte mich nicht wundern, wenn uns in Mondenfrist recht viele Leute beneiden.«
»Ja, zumal wenn du der Weisung folgst, die ich dir geben werde.«
»Mir?«
»Ja, dir! Es ist da ein gutes und frommes Werk zu verrichten, mein Freund, und zugleich auch viel Geld zu verdienen.«
Madame Bonacieux wußte recht Wohl, wenn sie vom Gelde sprach, faste sie ihren Mann bei seiner schwachen Seite. Wenn aber ein Mensch, ob er auch ein Krämer war, zehn Minuten lang mit dem Kardinal Richelieu gesprochen hatte, so war er nicht mehr derselbe Mensch. »Viel Geld zu verdienen!« sagte Bonacieux.
»Ja, viel!«
»Wieviel ungefähr?«
»Vielleicht tausend Pistolen.«
»Es ist also sehr wichtig, was du von mir begehrst?«
»Ja.«
»Was muß denn geschehen?«
»Du reisest auf der Stelle fort; ich übergebe dir ein Papier, das du unter keinem Vorwand aus den Händen läßt, und dahin abgibst, wohin es gehört.«
»Und wohin soll ich reisen?«
»Nach London.«
»Ich nach London? Ei, du scherzest nur, was hätte ich denn in London zu tun?«
»Aber andere bedürfen es, daß du dahin reisest.«
»Wer sind denn diese andern? Ich erkläre dir, daß ich nicht mehr blindlings handle und nicht bloß wissen will, was ich wage, sondern auch, für wen ich etwas wage.«
»Eine vornehme Person sendet dich und eine vornehme Person erwartet dich. Der Lohn wird über deine Wünsche hinausreichen; das ist alles, was ich dir sagen kann.«
»Wieder Intrigen und immer Intrigen! Dank dafür, jetzt traue ich nicht mehr, der Herr Kardinal hat mich darüber aufgeklärt.«
»Der Kardinal?« rief Madame Bonacieux, »hast du den Kardinal gesehen?«
»Er
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