Die drei Musketiere
erschallte immer ferner, dann ging die Tür des Kabinetts auf, wo d'Artagnan stand, und Madame Bonacieux schlüpfte herein. »Endlich sind Sie hier!« rief d'Artagnan. »Stille,« sprach die junge Frau, ihre Hand an seine Lippen legend; »stille, jetzt kehren Sie dahin zurück, woher Sie gekommen sind.«
»Allein, wo und wann werde ich Sie wiedersehen?« rief d'Artagnan. »Ein Briefchen, das Sie zu Hause finden werden, wird es Ihnen melden. Nun gehen Sie, gehen Sie.« Bei diesen Worten öffnete sie die Tür zum Korridor und schob d'Artagnan hinaus. D'Artagnan folgte wie ein Kind ohne Einspruch, ohne Widersetzlichkeit, und das beweist, daß er in der Tat sehr verliebt war.
Das Rendezvous.
D'Artagnan ging eilfertig nach Hause, Planchet schloß ihm die Tür auf. »Hat jemand einen Brief für mich gebracht?« fragte d'Artagnan rasch. »Es hat niemand einen Brief gebracht,« erwiderte Planchet, »doch ist einer ganz allein gekommen.«
»Was willst du damit sagen, Tölpel?«
»Ich will sagen, daß ich bei meiner Zurückkunft, obwohl ich den Schlüssel Ihrer Wohnung in der Tasche trug und ihn nicht von mir weggab, in Ihrem Schlafgemach auf dem grünen Teppich des Tisches einen Brief fand.«
»Wo ist dieser Brief?«
»Ich ließ ihn liegen, wo er lag, mein Herr! Es ist nicht natürlich, daß Briefe auf solche Weise zu den Leuten kommen. Wäre noch das Fenster ganz oder halb offen gewesen, würde ich nichts sagen; aber alles war hermetisch verschlossen. Geben Sie acht, mein Herr, denn da obwaltet sicher ein Spukwerk.« Mittlerweile stürzte der junge Mann in das Zimmer und öffnete den Brief. Er war von Madame Bonacieux und lautete wie folgt: »Man hat Ihnen den wärmsten Dank abzustatten und zu überbringen; begeben Sie sich diesen Abend gegen zehn Uhr nach Saint-Cloud, dem Pavillon gegenüber, der sich an der Ecke des Hauses des Herrn d'Estrées erhebt. C. B.« Als d'Artagnan diesen Brief gelesen, fühlte er, wie sich sein Herz erweiterte und wieder zusammenpreßte mit jenem süßen Krampfe, der Liebenden zugleich wohl und wehe tut. Das war das erste Briefchen, das er empfing, das erste Rendezvous, das ihm zugestanden wurde. Sein Herz, von wonniger Trunkenheit geschwellt, drohte zu zerspringen an der Schwelle des irdischen Paradieses, das man die Liebe nennt. Planchet zog sich zurück. Als d'Artagnan allein im Zimmer war, las er wiederholt das Briefchen durch und küßte über zwanzigmal diese Zeilen vonder Hand seiner schönen Geliebten. Endlich ging er zu Bett, schlief ein und hatte goldene Träume. Um sieben Uhr früh stand er auf und rief Planchet. »Planchet,« sagte d'Artagnan, »ich gehe vielleicht den ganzen Tag fort, du bist also frei bis sieben Uhr abends; aber um sieben Uhr halte dich bereit mit zwei Pferden.«
»Es scheint,« versetzte Planchet, »wir wollen uns die Haut noch an mancherlei Stellen durchlöchern lassen.«
»Du hast deine Muskete und deine Pistolen mitzunehmen.«
»Nun, es kommt, wie ich sagte,« rief Planchet. »Sei doch ruhig, Dummkopf! hier handelt es sich ganz einfach um eine Lustpartie.«
»Ja, wie unlängst bei den Vergnügungsreisen, wo es Kugeln regnete und Wolfsfallen hagelte.«
»Solltest du dich übrigens fürchten. Planchet,« erwiderte d'Artagnan, »so will ich ohne dich gehen; ich reise lieber allein, als mit einem Hasenfuß.«
»Mein Herr,« entgegnete Planchet, »Sie tun mir unrecht; mich dünkt doch. Sie haben mich rührig gesehen.«
»Ja, allein, ich glaube, daß du all deinen Mut auf einmal verbraucht hast.«
»Sie werden sehen, daß ich nötigenfalls noch einen Rest übrig habe, nur bitte ich, nicht verschwenderisch damit umzugehen, wenn ich noch länger auskommen soll.«
»Glaubst du diesen Abend noch eine gewisse Summe verwenden zu können?«
»Ich hoffe das.«
»Nun, so will ich auf dich rechnen.«
»Ich werde zur benannten Stunde bereit sein; ich glaubte nur, Sie hätten bloß ein Pferd im Stalle der Garden.«
»Wohl kann in diesem Augenblick nur eins dort sein, aber diesen Abend wird es vier daselbst geben.«
»Unsere Reise scheint eine Remontereise gewesen zu sein.«
»Allerdings,« versetzte d'Artagnan, wiederholte Planchet noch einmal seinen Auftrag und ging fort.
Herr Bonacieux stand an seiner Tür, d'Artagnan wollte vorübergehen, ohne mit dem würdigen Krämer zu reden; allein dieser grüßte ihn so freundlich und zuvorkommend, daß sich der Mietsmann nicht bloß bewogen fühlte, den Gruß zu erwidern, sondern sich auch in ein Gespräch mit ihm
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