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Die drei Stigmata des Palmer Eldritch

Die drei Stigmata des Palmer Eldritch

Titel: Die drei Stigmata des Palmer Eldritch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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»Aber Sie könnten es sich ohne weiteres selbst besorgen.«
    Als sie weitergingen, schmiegte sie sich an ihn, und er nahm sie in den Arm; sie wehrte sich nicht, statt dessen stieß sie einen Seufzer der Erleichterung hervor. »Barney, ich muß dir etwas zeigen. Ein Flugblatt, das mir eine Frau aus meiner Grube gegeben hat; sie meinte, neulich sei ein ganzes Bündel davon abgeworfen worden. Es ist von den Chew-Z-Leuten.« Sie wühlte in den Taschen ihres klobigen Mantels; im Schein der Laterne sah er ein zusammengefaltetes Blatt Papier. »Lies das. Dann weißt du, warum ich so über Chew-Z denke ... warum es ein so großes moralisches Problem für mich darstellt.«
    Er hielt das Blatt Papier ans Licht und las die Überschrift; die großen schwarzen Lettern stachen ihm ins Auge.

    GOTT VERHEISST EWIGES LEBEN. WIR MACHEN ES WAHR.

    »Verstehst du jetzt?« fragte Anne.
    »Ja. Ich verstehe.« Er machte sich gar nicht erst die Mühe weiterzulesen; niedergeschlagen faltete er das Blatt wieder zusammen und gab es ihr zurück. »Ein starker Slogan.«
    »Und ein wahrer noch dazu.«
    »Zur Abwechslung mal keine glatte Lüge«, sagte Barney, »sondern die reine Wahrheit.« Was ist schlimmer? überlegte er. Schwer zu sagen. Eigentlich müßte Palmer Eldritch wegen dieses blasphemischen Pamphlets auf der Stelle tot umfallen, aber das wird er wohl kaum tun. Ein böser Besucher, der aus dem Prox-System über uns hereinbricht, dachte er, und uns das bietet, wofür wir seit über zweitausend Jahren beten. Und warum ist das eine so fürchterliche Katastrophe? Schwer zu sagen, doch eins steht fest: Von nun an werden wir ebenso abhängig von Eldritch sein wie Leo; Eldritch wird in unser Leben eindringen und uns auf Schritt und Tritt verfolgten. Und ER, der uns bislang beschützt hat, legt die Hände in den Schoß und sieht tatenlos zu.
    Und bei der Verwandlung, dachte er, werden wir nicht Gott sehen, sondern Palmer Eldritch.
    »Wenn Chew-Z dir nicht helfen kann ...«, begann er.
    »Sag das nicht.«
    »Wenn Palmer Eldritch dir nicht helfen kann, dann hilft dir vielleicht ...« Er verstummte. Vor ihnen lag die Grube Flax Black Spit; das Eingangslicht glomm trübe im Marsdunkel. »Wir sind da.« Er wollte sie nicht gehen lassen; er legte den Arm um ihre Schultern, drückte sie an sich und mußte daran denken, wie er mit seinen Mitbewohnern über sie gesprochen hatte. »Komm mit mir«, sagte er. »Zurück nach Chicken Pox Prospects. Dann können wir uns amtlich trauen lassen.«
    Sie starrte ihn ungläubig an und brach zu seinem Erstaunen in schallendes Gelächter aus.
    »Heißt das nein?« fragte er hölzern.
    »Was, bitte«, sagte Anne, »ist ›Chicken Pox Prospects‹? Ach, ich verstehe; der Codename deiner Grube. Entschuldige, Barney, ich wollte nicht lachen. Aber meine Antwort lautet selbstverständlich nein.« Sie machte sich von ihm los und öffnete die Tür zur Eingangshalle der Grube. Plötzlich setzte sie ihre Laterne ab und kam mit ausgestreckten Armen auf ihn zu. »Ich möchte mit dir schlafen«, sagte sie.
    »Aber doch nicht hier vor dem Eingang.« Er hatte Angst.
    »Wo du willst. Du kannst es dir aussuchen.« Sie schlang ihm die Arme um den Hals. »Jetzt«, flüsterte sie. »Sofort.«
    Das ließ er sich nicht zweimal sagen.
    Er nahm sie auf den Arm und brachte sie vom Grubeneingang fort.
    »Du lieber Himmel«, stieß sie hervor, als er sie im Dunkeln auf die Erde legte; gleich darauf begann sie zu keuchen, vermutlich wegen der Kälte, die sie mit einem Mal umfing, durch ihre dicken Schutzanzüge drang, die sich, entgegen ihrem eigentlichen Zweck, beim Austausch echter Wärme als äußerst hinderlich erwiesen.
    Einer der drei Hauptsätze der Thermodynamik, dachte er. Der Wärmeaustausch; ihre und meine Moleküle wandern hin und her, vereinen sich in – Entropie? Noch nicht.
    »Meine Güte«, sagte sie im Dunkeln.
    »Habe ich dir weh getan?«
    »Nein. Überhaupt nicht. Komm.«
    Die Kälte betäubte seinen Rücken, seine Ohren; sie strahlte vom Himmel herab. Obgleich er sie zu ignorieren versuchte, mußte er an eine Decke denken, eine dicke Wollschicht – merkwürdig, sich in einem solchen Augenblick mit derlei Dingen zu beschäftigen. Er träumte von ihrer Weichheit, dem Kratzen ihrer Fasern auf der Haut, ihrer wohltuenden Schwere. Anstelle der eisigen, dünnen Luft, die ihn verzweifelt nach Atem ringen ließ, als ginge es mit ihm zu Ende.
    »Was ist – stirbst du?« fragte sie.
    »Nein. Aber. Ich kriege keine Luft.«
    »Mein

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