Die drei Stigmata des Palmer Eldritch
verlassen«, stieß Leo aufgebracht hervor. »Ich werde Sie nicht nach Terra zurückschmuggeln. Ganz gleich was passiert.«
»Ich weiß.«
»Aber das interessiert Sie natürlich nicht die Bohne. Sie kauen lieber bis an Ihr Lebensende diese Droge.« Leo funkelte ihn wütend an.
»Nie wieder«, sagte Barney.
»Was denn?«
»Ich werde hierbleiben«, antwortete Barney, »und ein ganz normales Kolonistenleben führen. Ich werde meinen Gemüsegarten bestellen und tun, was es hier sonst noch so zu tun gibt. Bewässerungssysteme anlegen zum Beispiel.« Er war müde und hatte immer noch ein flaues Gefühl im Magen. »Tut mir leid«, sagte er.
»Mir auch«, erwiderte Leo. »Ich verstehe Sie nicht.« Er blickte zu Anne Hawthorne, fand auch bei ihr keine Antwort, drehte sich achselzuckend um und ging zur Tür. Dort wollte er noch etwas sagen, entschied sich aber dann doch dagegen; zusammen mit Felix Blau marschierte er davon. Sie stiegen die Treppe zum Grubeneingang hinauf, und Barney lauschte ihren klappernden Absätzen, bis das Geräusch schließlich verklang und wieder Stille herrschte. Er ging zum Spülstein und holte sich ein Glas Wasser.
»Ich verstehe dich«, sagte Anne nach einer Weile.
»Ach ja?« Das Wasser schmeckte köstlich; es spülte die letzten Reste des Chew-Z fort.
»Ein Teil von dir hat sich in Palmer Eldritch verwandelt«, meinte sie. »Und ein Teil von ihm hat sich in dich verwandelt. Ihr könntet euch nie wieder gänzlich voneinander trennen; du wirst bis in alle ...«
»Du bist ja verrückt«, sagte er und lehnte sich erschöpft gegen den Spülstein; ihm zitterten immer noch die Knie.
»Eldritch hat von dir bekommen, was er wollte«, sagte Anne.
»Nein«, widersprach er. »Dafür bin ich zu früh zurückgekommen. Ich hätte noch fünf oder zehn Minuten länger bleiben müssen. Wenn Leo seinen zweiten Schuß abfeuert, ist der echte Palmer Eldritch an Bord dieses Schiffes und nicht ich.« Und deshalb gibt es nicht den geringsten Grund, mir wegen eines irrwitzigen, aus der Verzweiflung geborenen Plans den Hirnmetabolismus zu ruinieren, sagte er sich. Der Mann – oder, besser, es – ist ohnehin so gut wie tot.
»Verstehe«, sagte Anne. »Und du bist sicher, daß die Zukunft, die du während der Verwandlung gesehen hast ...«
»Sie ist absolut authentisch.« Das sagten ihm seine Präkog-Fähigkeiten. Zudem konnte er auf all das, was sich ihm im Drogenrausch geboten hatte, gut und gern verzichten.
»Und das weiß auch Palmer Eldritch«, meinte er. »Er wird alles daransetzen, ihr zu entfliehen. Aber das wird ihm nicht gelingen.« Zumindest, überlegte er, ist es unwahrscheinlich, daß es ihm gelingt. Obgleich die Zukunft unendlich viele Möglichkeiten in sich barg. Er hatte dies vor langer Zeit schon akzeptiert und wußte damit umzugehen; er spürte instinktiv, welchen Zeitpfad er zu wählen hatte. Und dieses Gespür hatte sich Leo dreizehn Jahre lang zunutze gemacht.
»Aber deshalb rührt Leo jetzt keinen Finger mehr für dich«, sagte Anne. »Er bringt dich wirklich nicht zur Erde zurück; das war sein voller Ernst. Begreifst du denn nicht, was das heißt? Ich habe es ihm deutlich angesehen; er wird sein Lebtag nie mehr ...«
»Die Erde«, sagte Barney, »kenne ich zur Genüge.« Auch ihm war es ernst mit seinen Plänen für ein neues Leben auf dem Mars.
Was für Palmer Eldritch gut genug war, war auch für ihn gut genug. Denn Eldritch hatte unzählige Leben hinter sich; die Substanz dieses Mannes oder Wesens war von erhabener, unerschütterlicher Weisheit. Die Fusion mit Eldritch während der Verwandlung hatte unauslöschliche Spuren bei ihm hinterlassen, ein Brandmal für die Ewigkeit: eine Form absoluten Bewußtseins. Er fragte sich, ob Eldritch auch etwas von ihm bekommen haben mochte? Hatte ich etwas, was für ihn von Belang sein könnte? überlegte er. Einsichten? Stimmungen, Erinnerungen oder Werte?
Gute Frage. Die Antwort, dachte er, war nein. Obwohl er häßlich war und fremd und einen von uns auf der langen Reise von Terra nach Prox befallen hatte wie eine Krankheit, wußte unser Gegner weitaus mehr über den Sinn unseres befristeten Daseins hier als ich; er sah die Dinge im richtigen Verhältnis. Jahrhundertelang war er rastlos umhergetrieben, auf der Suche nach einem Lebewesen, das er an sich reißen und in das er sich verwandeln konnte ... vielleicht ist das die Quelle seiner Weisheit: nicht Erfahrung, sondern endloses, einsames Grübeln. Im Vergleich dazu weiß ich
Weitere Kostenlose Bücher