Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)
einige feine oder auch nur vernünftige Köpfe, besonders in bürgerlichen Kreisen, wo man bekanntlich das Gras wachsen hört, die nicht recht begreifen wollten, was der arme Teufel für ein Vergnügen dran finden könne, in dem faulen Gedärme des Chorherrn zu wohnen und in dessen Gestalt zur herkömmlichen Stunde nach Notre-Dame zu gehen und sich dort mit dem Rauchfaß und dem Weihwasserwedel vor der Nase herumfahren zu lassen.
Auf solche ketzerischen Zweifel erwiderten einige, daß der Teufel sich vielleicht bekehren wolle, und andere, daß er darum die Gestalt des Chorherrn angenommen habe und aus dem verfallenen Haus nicht wich und wankte, um die drei Neffen und Erben des frommen Mannes zu prellen, die keinen Tag vergehen ließen, ohne nachzusehen, ob der Alte seine Augen immer noch nicht geschlossen habe; sie fanden sie aber stets offen und hell und argwöhnisch wie Basiliskenaugen, worüber sie sich natürlich sehr freuten, denn sie liebten, wenn man sie hörte, in der Welt nichts so sehr wie ihren lieben alten Oheim.
Von diesem aber erzählte ein altes Weib, daß er wahr und wahrhaftig der Teufel sein müsse. Ihre Überzeugung gründete sich auf folgenden Vorfall. Zwei dieser Neffen, der Advokat und der Hauptmann, geleiteten einmal nachts ohne Laterne oder Fackel ihren Onkel von einem Abendessen nach Hause, das der Halszuzieher ihm zu Ehren gegeben hatte, und ließen ihn, weil es dunkel war, über einen Haufen Steine hinstürzen, die man am Abend da abgeladen hatte, um dem heiligen Christoph eine Statue zu errichten. Es waren gar harte, scharfkantige Steine, und die beiden Neffen liefen mit großem Lärm und Geschrei fort, um bei der genannten Alten eine Laterne zu holen; als sie aber mit ihrer Leuchte zurückkamen, sahen sie zu ihrer höchsten Verwunderung den Onkel dastehen, fest und aufrecht wie ein Baumstamm. Er war in heiterster Laune und scherzte über den guten Wein des Advokaten und daß er doch noch feste Knochen haben müsse, wenn sie einen solchen Fall überstehen könnten, ohne aus dem Leime zu gehen, wie sie denn in seinem langen Leben Schlimmeres überstanden hätten.
Die guten Neffen hatten nicht anders geglaubt, ab ihn tot wiederzufinden. Ihre Hoffnung, den guten Onkel noch zu ihren Lebzeiten auf dem Schrägen zu sehen, wurde durch diese Erfahrung beträchtlich verringert. Sie nannten ihn also nicht mit Unrecht ihren guten Onkel, denn wahrhaftig, er war nicht von schlechtem Schrot und Korn. Böse Zungen behaupteten, jene Steine hätten dem guten Chorherrn den guten Rat ins Ohr geflüstert, in Zukunft lieber seinen eignen Wein als den seiner Neffen zu trinken.
Von alledem ist so viel sicher und gewiß, daß der alte Chorherr, ob er nun der Teufel war oder nicht, nur noch selten aus dem Hause ging und sich alles eher einfallen ließ, als zu sterben, auch daß er drei Erben hatte, die er liebte wie sein Rheuma, seine Gicht, sein Zipperlein, sein Zahnweh und ähnliche liebenswürdige Gäste an der Tafel des Lebens.
Von diesen drei Erben war der eine der wildeste Landsknecht, der je einen Mutterleib durchbrochen hat – dessen Schoß er nicht übel zugerichtet haben mochte. Denn er war schon mit Haaren auf den Zähnen zur Welt gekommen, er schmauste wie der Heide Goliath, und seine Wohnung war bei allen schlechten Weibsbildern, kurz, er war aus keinem geringeren Teig gemacht als sein Onkel selber, mit dem er nicht nur die Dauerhaftigkeit seiner Kräfte und Säfte, sondern auch ihre Anwendung gemein hatte. In der Schlacht war er stets darauf bedacht, Hiebe und Stöße auszuteilen, aber selber keine zu bekommen, was ja doch das A und O aller Kriegskunst ist.
Er scheute jedoch keine Gefahr, und wenn er auch keine andere Tugend hatte, die Tapferkeit konnte ihm niemand absprechen. Er war der Hauptmann von einem Fähnlein Landsknechte und sehr beliebt bei dem Herzog Johann von Burgund, der sich den Teufel drum kümmerte, was seine Soldaten alias trieben. Dieser Neffe des Teufels hieß mit Namen Cochegrue oder Schweinsleder; aber seine Gläubiger, als da waren Lombarden, Juden, Mastbürger und andre, denen er gelegentlich die Taschen erleichterte, nannten ihn den ›Hundsaffen‹, weil er ebenso schlau als fürchterlich sein konnte. Er war außerdem etwas bucklig, und wehe dem, der dergleichen tat, diese Verunstaltung zu bemerken.
Der zweite Neffe hatte darauf studiert, wie man Unrecht in Recht verdreht und umgekehrt. Er hatte durch die Protektion seines Onkels eine Advokatenstelle
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