Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)
antwortete der, »ich höre das Holz, das im Feuer schwitzt und knistert.«
»Und ich«, antwortete Stoffel, »wenn ich auch nicht an den Teufel glaube, so glaube ich doch an den heiligen Michael, meinen Schutzengel. Er ruft mich, ich folge ihm.«
»Geh, mein Sohn«, antwortete schelmisch der Chorherr, »aber gib acht, daß du nicht ins Wasser fällst oder deinen Kopf verlierst; denn mir ist, als hörte ich den Fluß rauschen, und das Straßengesindel, scheint mir, ist nicht immer das gefährlichste Gesindel.«
Stoffel verwunderte sich sehr über diese Worte. Er betrachtete sich den Kanonikus. Der Alte schien ihm seltsam aufgeräumt mit seinen gichtkrummen Beinen und seinem flammenden Blick. Aber da er jetzt dem Tod, der ihn bedrohte, den Rang ablaufen mußte, dachte er, daß er ein andermal Zeit habe, den Oheim zu bewundern oder ihm die Nägel zu stutzen. Machte sich also auf nach der Stadt mit einer Eile wie ein Weibsbild, das dem Vergnügen nachläuft.
Die beiden Vettern, die nicht an die göttliche Erleuchtung glaubten, wie sie manchmal über einfältige Hirten zu kommen pflegt, hatten oft im Beisein des Stoffels, wie wenn er Luft wäre, ihre geheimsten Heimlichkeiten gegeneinander ausgekramt.
Unter anderem hatte eines Abends der Sauluder dem Kanonikus, um ihn aufzuheitern, von seiner Liebschaft mit der Frau eines Goldschmieds erzählt und wie er es anstellte, um dem Gevatter unvermerkt das bekannte Paar Hörner beizubringen, ein Paar goldige, ein Paar feinziselierte und feinskulptierte, ein Paar Hörner mit so reichem figürlichem Schmuck als nur je ein Gefäß auf der Tafel eines Königs. Diese Goldschmiedin war, wenn man ihn hörte, ein tolles Ding, kühn und verwegen wie nicht leicht eine, die, wenn sie ihren Mann schon die Stiege heraufkommen hörte, die Sache erst recht noch einmal machte, wie wenn es nichts weiter gälte, als eine Erdbeere zu schlucken, dabei das Köpfchen voll närrischer Launen, immer auf neue Streiche denkend und zu allem heiter wie das gute Gewissen selber, zur Freude ihres Mannes, dem ihr Wohlsein naheging wie sein Hemd. Und so durchtrieben war sie, daß weder ihre Liebschaft ihrer Wirtschaft noch ihre Wirtschaft ihrer Liebschaft schadete, also daß sie nicht nur allgemein den Ruf einer tugendsamen Frau, sondern auch das volle Vertrauen ihres Eheherrn genoß, der ihr die Schlüssel, die Kasse und alles überließ.
»Und zu welcher Stunde empfängt Euch Eure Dulcinea?« fragte der Chorherr.
»Jeden Abend. Und oft schlafe ich bei ihr.«
»Aber wie kann das geschehen?« fragte von neuem der Oheim.
»Das machen wir so. In einem Verschlag steht ein mächtiger Schrank. In den verstecke ich mich. Nun müßt Ihr wissen, daß der Goldschmied fast jeden Abend bei seinem Gevatter, dem Tuchhändler, speist, mit dessen Frau er so steht wie ich mit seiner eigenen. Wenn er nun nach Haus kommt, tut die Frau so, als ob es ihr irgendwo nicht recht wäre, läßt ihn allein zu Bett gehen und schleicht sich, um ihrem Übel Linderung zu verschaffen, in den Verschlag mit dem Schrank. Am Morgen dann, wenn der Mann vor seiner Goldwaage sitzt, mache ich mich davon. Das Haus hat zwei Ausgänge, einen nach der Straße und einen nach dem Fluß; begegne ich dem Hausherrn, bin ich eben durch das andere Loch, wo er nicht war, hereingekommen, natürlich um mit ihm wegen seines Prozesses zu verhandeln, den ich als sein Advokat so lange wie möglich am Leben und in guter Gesundheit zu erhalten suche. Und so ist das eine rentable Liebschaft, für die der Herr Gemahl soviel an Sporteln und sonstigen Advokatenrechnungen bezahlen muß, daß er sich im Stall gut ein paar Pferde halten könnte. Der Mann unternimmt nichts ohne mich; er liebt mich, wie so einer den zu lieben verpflichtet ist, der ihm so fleißig hilft, sein Gärtlein umzustechen, zu gießen und in jeder Weise zu kultivieren.«
An diese Worte dachte jetzt der Stoffel; er machte sich aber unverzüglich auf den Weg, denn er hatte dem Tod den Rang abzulaufen.
Stoffel erinnerte sich aller Einzelheiten dieser Erzählung, und der Instinkt der Selbsterhaltung, der das dümmste Tier richtig leitet, zeigte ihm mit Blitzeshelle den Ausweg aus der drohenden Lebensgefahr. Er eilte also unverzüglich nach der Rue de la Calandre, wo der Goldschmied um diese Zeit bei seinem Gevatter, dem Tuchhändler Cornelius, und seiner Frau zu Abend zu essen pflegte. Nachdem er an die Tür geklopft und denen hinter dem Gitter geantwortet hatte, daß er dem Goldschmied eine
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