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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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er bei den Weibern, wenn es sein mußte, die Arbeit von drei andern versehen konnte, ohne je schachmatt zu werden, und es dauerte nicht lange, so war er der Lieblingsbeichtiger der Frauen. Er war sanft mit den Traurigen, er tröpfelte Balsam in kranke Herzen, keine ließ er ohne Trost ausgehen. Verschwiegen war er wie eine Mauer. So wurde er immer berühmter, und seine Kundschaft erstreckte sich bis an den Hof.

     
    Das konnte nun leicht die Eifersucht seiner Obern, der Herren Ehemänner und anderer wachrufen. Aber die Marschallin Desquerdes wußte vorzubeugen. Um die so nützliche und wohltätige Geschäftigkeit des Mannes ganz mit dem Geruch der Heiligkeit zu umgeben, verehrte sie ihm einen Knochen des heiligen Viktor, der also die Ursache sein mußte von den überraschenden Erfolgen des Priesters. Jedem Zudringlichen konnte nun geantwortet werden, er hat einen Knochen, durch den er alles wirkt, und damit stopfte man die frechsten Mäuler, denn an der Kraft einer Reliquie zu zweifeln galt nicht für wohlanständig.

     
    Er genoß darum im Schatten seiner Soutane den besten Ruf als ein Mann von Tapferkeit in der Erfüllung seiner Pflichten. Und so lebte er wie Gott in Frankreich, absolvierte drauflos mit seiner Reliquie und wirkte Wunder auf Wunder. Er verwandelte jahraus, jahrein Weihwasser in den besten Wein, und selten wurde damals bei den Notaren von Paris ein Testament gemacht, dem nicht zu seinen Gunsten ein Et cetera angehängt war oder Kodizill, das einige auch Cadizill schreiben, um anzudeuten, daß es mit Cauda zusammenhängt und also nichts anderes sagen will als ein Schwänzchen am Testament.

     
    Der heilige Mann hätte zuletzt Erzbischof von Paris werden können. Würde er zum Beispiel einmal gesagt haben, eine Mitra muß doch schön warm geben, schnell hätten sich gewisse Damen den Rang abgelaufen, sie ihm zu verschaffen. Aber er begnügte sich statt aller fetten Pfründen, die man ihm anbot, mit der simplen Stelle eines Chorherrn an der Notre-Dame, weil er in diesem Amt seine hübschen Beichtkinder nicht zu vernachlässigen brauchte. Nur als er mit der Zeit schwach in den Hüften und gebrechlich wurde – er hatte allmählich an die Siebzig auf dem Rücken –, erlahmte er in seiner Tätigkeit des Absolvierens und durfte die Zeit gekommen glauben, um sich auf dem süßen Bewußtsein einer langjährigen apostolischen Pflichterfüllung wie auf einem molligen Bett behaglich auszuruhen, um so mehr, als er, wie das gemeine Volk zu sagen pflegt, sein Schäfchen im trocknen hatte. Er bemühte sich jetzt nur noch für die Damen vom höchsten Rang, so zwar, daß man bei Hofe oft scherzen hörte: trotz dem Eifer so manches jungen Kaplans sei der Beichtstuhl des Alten bei Saint-Pierre am Ochsenmarkt immer noch die wirksamste Seelenbleiche für vornehme Damen.
    So wurde der fromme Chorherr mit gutem Glück ein perfekter Neunziger, sein Haupt bedeckte der Winterschnee, seine Hände zitterten, aber im übrigen hielt er sich noch immer aufrecht wie ein Turm und hustete ohne Auswurf, nachdem ihm der Auswurf, ohne zu husten, so lange geläufig gewesen war.
    Für gewöhnlich saß er freilich festgebannt in seinem Stuhl, er war ja genug in seinem Leben aufgestanden im Dienst der Menschheit; aber er trank, sooft er Durst hatte, und aß wie ein Drescher. Das Reden hatte er sich fast abgewöhnt, nichtsdestoweniger sah er ganz und gar aus wie ein lebendiger Chorherr zu Notre-Dame.
    Weil er aber so die Unbeweglichkeit liebte, tagelang stumm blieb und trotz seines Alters die rosigste Gesundheit auf seinem Gesicht blühte, auch in Erinnerung an gewisse üble Nachreden wegen eines lasterhaften Lebens, die im unwissenden gemeinen Volk früher umgegangen waren, hatten einige schiefe Köpfe, Atheisten und ähnliches Gelichter, denen alle Heiligkeit ein Dorn im Auge ist, das ärgerliche Gerücht ausgesprengt, der wahre Chorherr sei längst tot und seine Seele dahingefahren, statt ihrer aber wohne seit länger als fünfzig Jahren der Teufel in dem dicken Leib des Pfaffen. Ein wenig hatte man ja immer von ihm sagen können, daß er den Teufel im Leibe habe, und so manche Schöne, die seine Absolution erfahren, hat es heimlich bei sich gedacht. Aber da nun offenkundig dieser Teufel, derjenige, den die schönen Beichtkinder im Sinne hatten, allmählich recht kleinlaut geworden war, hinfällig und apoplektisch wie der Chorherr selber, daß er sich auch um eine zwanzigjährige Königin nicht vom Fleck gerührt hätte, so gab es

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