Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)
am Oberhofgericht erhalten und machte den Rechtsbeistand all der Damen, deren Seelenbeistand ehemals der Chorherr gewesen war. Er hieß allgemein ›der Sauluder‹ in Anspielung auf seinen wahren Namen, denn der lautete Schweinsleder wie bei seinem Bruder, dem Hauptmann. Dieser Sauluder pißte kalt, hatte einen schäbigen, windschiefen Körper, ein eingefallenes fahles Gesicht und eine Physiognomie wie ein Wiesel. Immerhin war er einen halben Groschen mehr wert als der Hauptmann, und ein halbes Quentchen Liebe für seinen Onkel konnte man ihm nicht absprechen. Nur in den letzten Jahren war sein Herz leck geworden und die Dankbarkeit Tropfen um Tropfen weggesickert. Er besorgte aber zeitweilig die Geschäfte seines Onkels und versäumte dabei nicht, im voraus so viel Saft als möglich aus der Erbschaft herauszupressen.
Die beiden Brüder sahen sich leider genötigt, nach Sitte und Herkommen, nach Recht und Gerechtigkeit den Brocken, der ihnen nicht zu dick gewesen wäre, mit einem Dritten zu teilen, einem armen Vetter, einem Schwestersohn des Chorherrn, den dieser wenig liebte und der auf dem Lande aufwuchs, wo er die Schweine hütete. Dieser bäuerliche Viehhirt wurde nun von den beiden Brüdern in die Stadt gerufen und dem Onkel zur Bedienung ins Haus gegeben in der Berechnung und Hoffnung, daß er durch seine Eseleien, Schweinereien und Tölpeleien, kurz, durch seine Dummheit den Chorherrn mit Leichtigkeit dahin brächte, ihn aus seinem Testament zu streichen.
Seit einem Monat ungefähr wohnte der arme Stoffel, wie der Viehhüter hieß, als einziger Hausgenosse bei dem Onkel, und so ungelehrt er war, begriff er doch, daß es fast vorteilhafter und leichter sei, einen alten Chorherrn zu hüten als eine Herde Schweine. Mit großer Schlauheit spielte er den Dümmling und Demütigen gegen seinen Onkel und machte sich so recht zum Stab und Stecken seines Alters. Er sagte »Helf Gott!«, wenn der Onkel nieste, »Zur Gesundheit!«, wenn er rülpste, und »Wohl bekomm's!« oder »Gsegen's Gott!«, wenn etwas anderes an ihm lautbar und ruchbar wurde. Er gab, wenn es regnete, auf die Katze acht, daß sie nicht naß wurde, war zu jeder Zeit voll Aufmerksamkeit auf jedes Wort des Alten und ertrug mit Lammsgeduld sein ewiges Gehuste, Gezanke und Gestänke. Er versicherte dem Alten ganz aufrichtig, er sei der schönste Chorherr von der Welt, und der Onkel, den man nicht mit der Nase auf seinen Vorteil zu stoßen brauchte, plagte den armen Stoffel, soviel nur in seinen alten Kräften stand, ließ ihn um sich herumtanzen wie einen Kreisel und belustigte ihn von früh bis spät mit seinem ewigen »Stoffel geh her!«, »Stoffel geh weg!«, »Stoffel komm wieder!«.
»Der Tölpel wird mich unter die Erde bringen«, klagte der Chorherr bei seinen Neffen. Als der Stoffel das hörte, gab er sich noch mehr Mühe, es dem Onkel recht zu machen; er spitzte die Ohren wie ein Schäferhund, aber er hatte nun einmal einen Hintern wie zwei Kürbisse, plumpe Glieder und breite Schultern, kurz, mehr von der Art eines schwerfälligen Silen als eines leichtfüßigen Zephyrs. Im übrigen war er ein frommes Gemüt, nichts machte ihm einen Kummer, also wurde er immer dicker und fetter, lange vor der fetten Erbschaft.
Eines Abends unterhielt sich der Onkel mit ihm über den Teufel, der mit tausend Qualen und Ängsten die armen Seelen martert und die Verdammten am ewigen Feuer röstet, das der liebe Gott zu diesem Ende angezündet hat, usw. Da machte der gute Stoffel zwei Augen so groß wie Pflugräder und lachte ganz albern, das sollte heißen, daß ihm dieser Glaube schlecht einging.
»Du bist also kein Christ?« fragte der Chorherr.
»Warum nicht gar«, antwortete der Neffe.
»Nun also: da es einen Himmel gibt für die Guten, muß es da nicht eine Hölle geben für die Bösen?«
»Wieso, Herr Onkel? Der Teufel ist in der Welt Gottes so unnötig wie ein Kropf. Sagt doch selber, lieber Onkel, wenn Ihr hier in Eurem Hause einen nichtswürdigen Kerl hättet, der alles drunter und drüber brächte, würdet Ihr ihn nicht hinausschmeißen?«
»Und wie ich ihn hinausschmeißen würde!«
»Nun seht, Herr Onkel, da wäre ja der liebe Gott selber ein dummer Teufel, wenn er in seiner Welt, wo er alles so herrlich und schön gemacht hat, den Teufel herumwirtschaften und sich sein schönes Werk von ihm verderben und verschmutzen ließe. Also ich kann nicht an den Teufel glauben, wenn ich an den lieben Gott glauben soll. Ich möchte ihn
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