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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Auf die Knie!‹ Ihr könnt euch denken, wie das Priesterlein zitterte. Aber der König lachte. ›Danket Gott‹, sprach er, ›er hat nicht gewollt, daß Ihr gehängt werdet, wie ich es befohlen hatte. Der Strick hat sich an den verirrt, der Euch Eure Einkünfte weggenommen hat. Gott selbst hat Euch zu Eurem Recht verholfen. Gehet hin und betet für mich, aber für mein Weihwasser laßt mich selber sorgen.‹«

     
    So gnädig und voller Güte war König Ludwig. Er hätte aus Ärger über den Irrtum den Mönch hängen lassen können, der schuld war, daß der König einen treuen Diener verlor.

     
    In den ersten Zeiten seiner Hofhaltung auf Schloß Plessis-les-Tours verschmähte es der Genannte, die Tapeten der königlichen Gemächer zu Zeugen seiner Saufgelage und sonstigen Liederlichkeiten zu machen; er hatte noch diesen Respekt vor der eignen Majestät, ein Feingefühl, das seine Nachfolger später abgelegt haben. Er war aber damals in eine gewisse Dame verliebt mit Namen Nicole Beaupertuys, eine Bürgersfrau aus der Stadt Tours (in deren nächsten Nachbarschaft das ebengenannte Schloß gelegen war), und der König hatte ihren Mann, ich weiß nicht in welchen Geschäften, nach der Levante geschickt und ihr selber in der Vorstadt Chardonneret ein Haus gekauft, nahe bei der Rue Quincangrogne, also genannt, weil die ganze Umgebung für eine unbewohnte und unheimliche Gegend galt. Der genannte Ehemann und seine Frau waren also dem König sehr ergeben, dem die Beaupertuys eine Tochter schenkte, die als Äbtissin gestorben ist. Die Nicole aber war eine gewitzigte Person, mit feinem Mundwerk, von ansehnlichem Leibesumfang, mit zwei ganz natürlichen Kissen vor der Brust, so weiß wie die Flügel eines Cherubs. Im übrigen war sie als große Philosophin bekannt. Ihre Philosophie war nur gerade nicht die peripatetische, als welche im Gehen betrieben wird. Und eine vollkommene Meisterin war sie in ihrer Wissenschaft, in der sie täglich neue Argumente, Beweise, Konklusionen, Schlüsse und Trugschlüsse und immer neue Ausdrücke und Wendungen fand, womit sie dem König ein großes Vergnügen machte. Auch war sie der lustigste Fink im Finkenbusch, sang und lachte, zwitscherte und trällerte den ganzen Tag, die Nacht mit inbegriffen, und konnte niemand ein Leid zufügen. Kurz, sie verstand ihr Handwerk aus dem Effeff, und der König besuchte sie oft in dem genannten Hause, wobei er auch gern einige gute Gesellen, seine Freunde, mitnahm.

     
    Nur zur Nachtzeit machte er diese frommen Wallfahrten, denn er hatte, wie gesagt, Respekt vor der eignen Majestät, die er auf solchen Gängen dann nicht mitnahm. Weil er aber selber der Gegend nicht traute, hatte er der dicken Nicole die bissigsten und geifrigsten Hunde seiner Meute geschenkt, unheimliche Gesellen, die jedermann bei der Gurgel packten, ohne erst Achtung zu rufen, und keinen Spaß verstanden, außer mit der Nicole und dem König. Sobald dieser seine Ankunft meldete, ließ sie die Rüden los, also konnte der König ungefährdet in das Haus gelangen, zu dessen eisenbeschlagener Tür er den Schlüssel in der Tasche trug, und konnte ohne Furcht vor Verrat seine Freunde regalieren und mit Schindludereien traktieren, ganz wie es ihm beliebte. Und sagt, war das nicht echt königlich gehandelt?
    Die lustige Kumpanei konnte um so sorgloser sein, als Gevatter Tristans schirmendes Auge über ihr wachte. Wer es sich in einer solchen Nacht hätte einfallen lassen, auf dem Maifeld von Chardonneret Astronomie zu studieren ohne einen königlichen Ausweis in der Tasche, hätte sich im Handumdrehen in die Lage versetzt gesehen, den Vorübergehenden seinen Segen mit den Füßen zu spenden. Nur mit königlichem Paß gelangte man zu dem Hause an der Rue Quincangrogne. Denn der König ließ oftmals, seinen Freunden zuliebe und sich zum Spaß, auch aus zarter Rücksicht auf Nicole und ihre Gäste gewisse Weibsbilder und andres Volk aus der Stadt herbeiholen, angesehene Bürger nicht ausgenommen, mit denen der König gern einen Jux machte, die aber wohl wußten, daß es ein wenig gefährlich war, aus der Schule zu schwatzen, so daß erst nach dem Tode des Königs das ganze lustige Treiben von der Nacht an den Tag gekommen ist.
    Das Possenspiel ›Küß mich am Hintern‹ wird als besonders geniale Erfindung diesem König zugeschrieben. Obwohl dieser urlustige Schwank eigentlich nichts mit dieser Geschichte zu tun hat, will ich ihn doch kurz hier erzählen, weil die Spaßvogelnatur und der

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