Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)
liebwerter Vetter und ein Ehrenmann obendrein; wenn du je einen Feind hast, dem du das Lichtlein ausgeblasen haben möchtest, siehe, ich bin bereit, meinen besten Freund für dich zu töten. Ich will auch nicht mehr dein Vetter heißen, sondern dein Bruder. – Holla, Schätzchen«, rief er der Pasquerette zu, »decke uns von neuem den Tisch und wasche dein Blut ab, es gehört mir, ich will dir's bezahlen und will dir's tausendfach ersetzen. Laß vom Besten zapfen, beruhige die aufgescheuchten Vögel im Haus, zieh ein frisches Hemdchen an und sei lustig. Sei lustig, ich will es so! Sorge für was Gutes in die Schüssel, und fahren wir mit unsern Nachtgebeten fort, da, wo wir aufgehört haben. Morgen früh sollst du reicher sein als die Königin. Jetzt will ich meinen Vetter bewirten. Holla he, Küfergesellen, Küchenjungen, Laufburschen, auf die Beine! Ich habe Lust, das ganze Haus zum Fenster hinauszuwerfen; es wird uns morgen früh doch zehnfach wieder hereinkommen.«
In weniger Zeit, als ein Pfaff braucht, um sein Dominus vobiscum zu sagen, verwandelte sich alles Wehgeheul des Hauses in Lachen, so wie sich vorher alles Lachen in Wehgeheul verwandelt hatte. Das ist so das Eigentümliche dieser Häuser: Mord und Totschlag sind hier nur ein Gewürz der Liebe; je mehr Gefahr, desto mehr Lust. Freilich, unsre Damen mit den hohen Stehfallumkrägen haben davon keine Ahnung.
Der Hauptmann Schweinsleder machte einen Freudenlärm wie eine ganze Klasse Schulbuben, wenn die Schule aus ist. Er war unermüdlich, dem Vetter einzuschenken, und dieser trank wie ein Bauer, wo's nichts kostet. Er spielte glücklich den Besoffenen; er lallte, morgen wolle er Paris kaufen, wolle er dem König hunderttausend Taler leihen, scheißen wolle er in Gold, mit einem Wort, er schwatzte so verrücktes Zeug, daß es der Hauptmann endlich für an der Zeit hielt, die Teller zu lassen und sich nach den Talern umzusehen. Also machte er sich mit ihm auf den Weg in der besten Absicht, nach dem Raub und der Teilung ein wenig die Eingeweide des guten Stoffels zu durchsuchen, ob er nicht einen riesigen Schwamm im Magen hätte; denn anders war's nicht zu denken, wie er fast ein halbes Stückfaß des besten Heurigen hatte schlucken können, ohne zu platzen. Auf dem langen Weg sprachen sie über die theologischen Streitfragen des Tags, die sie, man kann sich denken, mehr verwirrten als aufklärten. Und endlich wurden sie stumm, selbst ihre Füße gaben keinen Laut mehr, sacht und sorgfältig schlichen sie sich nach der Gartenmauer, hinter welcher etwas ganz andres auf sie wartete als die Taler des reichen Juden. Der wiederholt genannte Schweinsleder-Hundsaffe erstieg die breiten Schultern Stoffels und schwang sich von hier auf den bekannten Birnbaum als ein Mann, bei dem Mauern zu erstürmen zum Handwerk gehört. Aber der fromme Versoris, der ihm auflauerte, versetzte ihm einen gut gezielten Hieb in den Nacken und wiederholte denselben dreimal so geschickt und mit solcher Wucht, daß nach dem dritten Schlag der Kopf des Schweinsleder auf die Erde rollte, nicht ohne noch vorher die Stimme seines Vetters gehört zu haben, der ihm zurief: »So heb doch deinen Kopf auf, mein Freund!«
Darauf dachte der großmütige Stoffel, in dem die Tugend so eklatant ihre Belohnung erhielt, daß es gescheit wäre, sich jetzt nach dem Hause des guten Chorherrn zu verfügen, wo unterdessen die Erbschaftsfrage sich mit der Gnade Gottes ganz wunderbar vereinfacht hatte. Also machte er sich mit großen Schritten auf den Weg nach Saint-Pierre am Ochsenmarkt, und nicht lange, so schlief er wie ein Neugeborner auf seinem Strohsack, als ob es in Ewigkeit keine Vettern auf der Welt gegeben hätte. Am andern Morgen aber erhob er sich nach Art der Hirten und Bauern mit dem Aufgang der Sonne und begab sich nach dem Zimmer seines Onkels, um sich zu erkundigen, ob er kein Blut spucke, ob er keinen Hustenanfall gehabt, ob er überhaupt gut geschlafen habe. Aber ein alter böser Kauz von Haushälterin sagte ihm, der Chorherr sei zur Mette gegangen, weil man das Fest des heiligen Kriegsmanns Mauritius feierte, des vornehmsten Patrons von Notre-Dame, und weil zu diesem Tag das ganze Kapitel beim Erzbischof von Paris zur Tafel geladen war.
›Der Chorherr muß nicht mehr recht bei Sinnen sein‹, dachte Stoffel, ›um sich in so früher Morgenluft einer Erkältung auszusetzen. Wenn er sich mit Gewalt umbringen will, mir kann's recht sein. Ich will ihm aber unterdessen ein
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