Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)
erhabene Witz des guten Königs damit in ein besonders helles Licht gerückt werden.
Es gab damals in der Stadt Tours drei berühmte Geizhälse. Der eine war der Gevatter Cornelius, den man kennt. Der andere hieß mit Namen Peccard und trieb einen Handel mit Rosenkränzen, Kreuzen, Kirchenlotterien und andern vergoldeten und unvergoldeten Bigotterien. Der dritte aber war der Meister Marchandeau, ein reicher Weingärtner. Die beiden letzten waren Tourainer und haben trotz all ihrer Schmutzereien sehr angesehene Familien gegründet.
Eines Abends nun, als der König bei der Beaupertuys einmal wieder einen besonders guten Tag hatte (obwohl es längst Nacht war), weil man vom Besten trank und nicht nur die Soßen, sondern auch die Reden mehr als gewöhnlich gesalzen waren, der König aber bereits im Oratorium seiner lieben Frau, der Beaupertuys nämlich, seine brünstig inbrünstige Abendandacht gehalten hatte und nun einen andern Zeitvertreib brauchte, sagte er plötzlich zu seinen Kumpanen, dem Gevatter Le Daim, der sein Barbier war, dem Kardinal La Balue und dem alten Dunois, der noch wieherte wie ein junger Hengst: »Meine Freunde«, sagte er, »ihr sollt heut noch einen Spaß erleben. Ich meine, es müßte ein köstlicher Anblick sein, drei Geizhälse vor einem Haufen Gold zu sehen, daran sie nicht rühren dürfen... Holla!«
Ein Kammerdiener erschien auf seinen Ruf.
»Mach dich auf zu meinem Schatzmeister«, sagte der König, »er soll unverzüglich sechstausend Goldgulden hierherbringen; dann suche mir meinen Gevatter Cornelius auf, du wirst ihn in der Schloßwache finden, dann den Paternosterschacherer in der Rue du Cygne und endlich den alten Marchandeau und bringe ihnen Order, wie sie gehen und stehen, vor ihrem König zu erscheinen.«
Nach dieser Unterbrechung fuhr die Gesellschaft fort in ihren geistreichen Tischgesprächen. Sie diskurrierten gerade die Streitfrage, was besser sei, eine Frau, die nach der natura naturans, oder eine solche, die nach Seife riecht, eine magere oder eine fette; und da hier die Blüte der Wissenschaft versammelt war, so lautete die hochweise Antwort: die beste sei die, die man wie eine Schüssel voll Austern vor sich habe just in dem Augenblick, wenn einem Gott einen Gedanken schickt, den man ihr mitteilen kann. Der Kardinal warf die Frage auf, was köstlicher sei für ein Weib, der erste oder der letzte Kuß, und erhielt von der Beaupertuys die Antwort, daß man sich wohl für den letzten entscheiden müsse, da eine Frau dann genau weiß, was sie verliert, während sie beim ersten noch nicht weiß, was sie zu erwarten hat. Über solchen Reden und andern, die zum Unglück der Wissenschaft verlorengegangen sind, kamen die sechstausend Goldgulden an, die mindestens den Wert von dreimalhunderttausend Francs hatten nach unserem heutigen Geld, was auch wieder beweist, wie wir in allen Stücken nur ärmer werden. Der König ließ sie auf einem wohlerleuchteten Tisch aufhäufen, und man konnte beobachten, wie die Augen seiner Freunde bei diesem Anblick unwillkürlich aufblitzten; sie mußten sogar selber darüber lachen. Auch die drei Geizhälse erschienen, blaß und zitternd vor Furcht, ausgenommen Meister Cornelius, der mit den Launen und Einfällen seines Königs vertraut war.
»Ihr lieben Leute«, sprach Ludwig, indem er auf den Haufen Goldstücke wies, »wie gefällt euch das?«
Ihr könnt euch denken, was für Blicke die drei nach dem goldnen Haufen warfen. Die Diamanten der Beaupertuys waren trüb im Vergleich zu dem stechenden Gefunkel ihrer kleinen Grauäuglein.
»Das soll euer sein«, setzte der König hinzu.
Da sahen die drei Filze nicht mehr die Dukaten, sondern sahen sich selber an, einer den andern, und ich sage euch, drei alte zahnlose Affen, die eine dicke welsche Nuß beschnüffeln und beäugeln, schneiden keine verzwickteren Grimassen und drolligeren Gesichter als diese drei.
»Bei der Jungfrau«, sprach der König, »dem von euch dreien, der, die Hand auf dem Golde hier, den andern dreimal hintereinander sagt: ›Ihr könnt mich am Hintern küssen‹, soll der ganze Haufen gehören, nur mag er sich in acht nehmen, daß er ernst dabei bleibt wie ein Fliegerich, der seine Nachbarin notzüchtigt. Wer auch nur im geringsten das Maul zum Lachen verzieht, zahlt der Frau des Hauses einen Dukaten. Es darf aber jeder die Probe dreimal machen.«
»Das will ich schnell gewonnen haben«, sagte Cornelius, dessen Mund in der Eigenschaft als Holländer ebenso
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