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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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nicht aus, daß er zwischenhinein gern auf zahmere und stillere Tierlein pirschte. Doch war diese Art Wild recht selten in der Gegend, und die Jungfernschaften standen hoch im Preis.

     
    Aber wer sucht, der findet. Und so kam dem herumspürenden und herumspionierenden Herrn von Valesnes eines Tags die Kunde zu, daß in dem Städtchen Thilhouze eine arme Weberswitwe wohnte, die in einem jungen Ding von sechzehn Jahren einen wahren Schatz besaß. Diese, hieß es, kam ihr nicht von der Schürze, nicht einmal allein pissen gehen durfte sie, so groß war die Vorsicht und Ängstlichkeit der Mutter. Sie schliefen beide zusammen in einem Bett und teilten gleicherweise jede Arbeit, die ihnen, wenn es gut ging, einen Sechser für den Tag einbrachte. An den Festtagen führte die Mutter ihre Kleine sozusagen an der Leine in die Kirche und ließ ihr höchstens die Zeit, da und dort ein Scherzwort mit einem Jungen auszutauschen; nur durfte der Tölpel sich's nicht einfallen lassen, mit den Händen reden zu wollen.
    Es waren aber schlechte Zeiten, und die Witwe und ihre Tochter verdienten grad so viel, um nicht Hungers zu sterben. Sie wohnten bei armen Verwandten, hatten oft im Winter kein Holz und im Sommer keine Kleider und mußten für Miete und anderes so viel schuldig bleiben, daß sogar ein Gerichtsvollzieher darüber erschrocken wäre, welche Leute doch allein ihr Brot haben von den Schulden der andern. Und also nahm nicht nur die Schönheit des Mädchens von Tag zu Tag zu, sondern ebensosehr die Armut der Mutter, die für die Jungfernschaft das Letzte hingab, wie ein Alchimist für seinen Schmelztiegel, der ihm Hab und Gut verschlingt.
    Das alles hatte der Herr von Valesnes sorgfältig ausgekundschaftet, und eines schönen Tags, es regnete gerade, erschien er wie zufällig in dem dunklen Loch der beiden Spinnerinnen. Unter dem Vorwand, sich die Kleider zu trocknen, schickte er seinen Knappen nach Holz und Reisig aus; er selbst aber setzte sich auf einen Schemel zwischen die beiden armen Frauen. Es fiel gerade soviel trübes Licht des grauen Regentags in die öde Kammer, daß er das Mädchen von Thilhouze nach allen Richtungen beaugenscheinigen und bei sich feststellen konnte, daß ihr Frätzchen allerliebst, daß ihre Arme rund und fest waren, daß ihr Vorbau wie zwei wohlgebaute Bastionen war, die das kühle Herz verteidigten, und daß keine junge Eiche schlanker und biegsamer sein konnte als der Körperwuchs dieser Jungfrau, die so kühl und weich sein mußte wie ein erster Schnee, so frisch, zart und saftig wie ein junger Sproß im April. Kurz, sie hatte Ähnlichkeit mit allem, was es nur Schönes auf der Welt gibt. Ihre Augen waren von dem kindlichen Blau des ungetrübten Himmels und ihre Blicke unschuldiger als die der Jungfrau Maria, die eben doch schon ein Kind empfangen hatte, wie es auch zugegangen sein mag.
    Hätte einer zu ihr gesagt: ›Willst du's mit mir probieren?‹ ›Warum nicht‹, hätte sie geantwortet, ›wo du willst.‹ So unwissend und kindlich war sie in diesen Dingen.
    Der gute alte Schloßherr rückte verlegen auf seinem Schemel hin und her, beschnupperte das Mädel wie ein Hühnerhund und machte ein paar Augen nach ihr wie ein Affe nach einer welschen Nuß. Das alles sah die Alte, sagte aber keinen Pieps, aus Furcht vor dem Herrn – der über Land und Leute herrschte. Doch als dann Holz und Reisig auf dem Herde flammten, fand der wilde Jäger endlich ein Wort.
    »Bei Gott!« sagte er, »das wärmt fast wie die Augen Eurer Tochter.«
    »Nur schade, daß wir nichts zu kochen haben an diesem Feuer«, antwortete die Alte.
    »Durch Eure Schuld.«
    »Wieso?«
    »Nun denn, meine Liebe, verdingt das Kind an meine Frau, die gerade eine Kammerjungfer nötig hat, und Ihr sollt jeden Tag einen warmen Herd haben.«
    »Was nützt mir ein warmer Herd mit einem leeren Topf?«
    »Also«, erwiderte der alte Dachs, »Ihr sollt auch die Suppe dazu bekommen. Ich will Euch einen Malter Weizen herbringen lassen zu jeder Ernte.«

     
    »Wo sollte ich das viele Korn aufheben?«
    »Im Kasten, bei Gott«, rief der Baron und Schürzenjäger.
    »Ach, du guter Gott, ich habe nicht Kisten noch Kasten.«

     
    »So werde ich Euch alles geben, Truhe, Schrank und Ofen, auch Holz genug und obendrein ein gutes Bett mit einem Himmel drüber.«
    »Es wäre aber schad, wenn es auf die schönen Sachen regnete, hoher Herr, ich habe nicht Dach und Fach.«
    »Seht Ihr da drüben das schöne Haus ›Zum Entenfuß‹, wo mein armer

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