Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)
höhere Sorge gekannt hätte. Der gute Herr von Armignac aber stand da wie ein begossener Pudel und war in großer Verlegenheit, was er nun mit dem Kopf des armen Savoisy anfangen solle; er murmelte ganz unverständliches Zeug vor sich hin, während der Junker in der Truhe sich wohl hütete zu husten. Endlich schlug der Konnetable mit der Faust auf den Tisch:
»Da hab ich nun über der dummen Geschichte die von Poissy nur halb zusammengehauen, es ist Zeit, daß ich den Rest nachhole.«
So schritt er aus dem Gemach, und auch der junge Boys-Bourredon verließ, als es Nacht wurde, unter irgendeiner Verkleidung das Schloß.
Der arme Savoisy aber wurde sehr beweint von seiner Dame, die wahrhaftig alles getan hatte, was eine Frau nur tun kann, um ihren Geliebten zu retten. Später aber wurde er nicht nur beweint, sondern auch schmerzlich vermißt. Die Frau Konnetable war so unvorsichtig, das lustige Abenteuer der Königin Isabelle zu erzählen; sie rühmte dabei fast allzu feurig den jungen Ritter, der sie zum Dank dafür schnöde verließ und der Geliebte der Königin wurde, die seine ›Qualitäten‹ ebenfalls zu schätzen wußte.
Übrigens hatte sein Horoskop richtig prophezeit. In seinem hohen Glück war er hochmütig geworden und rücksichtslos gegen jedermann; als er darum eines Tags sogar gegen den König den schuldigen Respekt vergaß, der gerade an diesem Tage weniger blödsinnig war als für gewöhnlich, benutzten neidische Höflinge diese günstige Gelegenheit, dem König Dinge ins Ohr zu flüstern, die er nicht geneigt war, in Marmor graben zu lassen; vielmehr ließ er in der nächsten Nacht den tapfern Boys-Bourredon in einen Sack nähen und, wie jedermann weiß, bei der Fähre von Charenton, in die Seine werfen.
Ich brauche nicht hinzuzufügen, daß seit jenem Tage, an dem der Konnetable so wütig mit dem Schwert um sich gehauen, seine gute Ehefrau sehr im Vorteil gegen ihn war. Täglich rieb sie ihm die beiden Morde unter die Nase. Damit machte sie ihn geschmeidig wie einen schwedischen Handschuh, besser gesagt, wie einen richtigen Ehemann. Er erklärte sie für die ehrbarste und tugendsamste Hausfrau, die sie in der Tat war. Und da nun ein Buch, wie alle großen älteren Autoren beweisen, das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden und dem lustigen Lachen womöglich eine lausige Lehre hinzufügen soll, so habe ich euch noch zu sagen, daß die Quintessenz dieser Historie die ist: nämlich erstens, daß die Damen auch in den schwierigsten Fällen nie den Kopf zu verlieren brauchen, weil der Gott der Liebe immer auf ihrer Seite steht, besonders wenn sie schön sind und von vornehmer Geburt; und zweitens, daß die schönen Junker, die sich zu einem Stelldichein der Liebe begeben, dies nicht allzu leichtsinnig und sorglos tun, sondern die Augen offenhalten nach allen Seiten, ob ihnen nicht Fallen und Gefahren drohen, denn zum Herrlichsten auf der Welt nach einer tugendhaften Frau gehört ohne Zweifel ein hübscher Junker.
Die Jungfrau von Thilhouze
Der edle Herr auf Valesnes, einem heiteren und lustigen Ort, dessen Schloß unweit von dem Städtchen Thilhouze liegt, hatte eine gebrechliche Frau, die aus Neigung oder Abneigung, aus Vergnügen oder Mißvergnügen, aus Krankheit oder Gesundheit ihm all die süßen Leckereien verweigerte, die ja der Sinn jedes Ehevertrages sind, wenn es auch nicht ausdrücklich hineingeschrieben wird.
Um gerecht zu sein gegen die gute Frau, muß gesagt werden, daß der genannte Schloßherr allerdings ein recht ungeleckter Geselle und rauhborstiger Buschklepper war und ungefähr so liebenswürdig wie der Rauch, der seit Jahr und Tag die Schloßhalle schwärzte und beizte. Er hatte zum Überfluß wohlgezählte Sechzig auf dem Rücken, wovon er ebensogern sprach und reden hörte wie die Witwe des Gehängten vom Strick. Doch die Natur hat den Tisch für alle gedeckt, für die Schiefen und Buckligen, für die Krummen und Dummen, die sie ein wenig im Übermaß hervorbringt, so gut wie für die Geraden und Wohlgeratenen. Und wenn sie sich auch um keinen einzelnen besonders kümmert – sie hat andres zu tun –, hat sie doch nichts dagegen, wenn alle sich satt essen aus ihren Schüsseln, also daß auch hier wieder das Sprichwort recht behält: ›Kein Topf ist so häßlich, daß er nicht einen Deckel fände‹.
Der edle Herr von Valesnes aber mochte am liebsten nur hübschen kleinen Töpfchen ein Deckel sein, und seine Leidenschaft für Hochwild schloß
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