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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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beißen, denn so ein Floh kann mordswütig werden in seinem Zorn; du mußt ihm also sachte das Maul ein wenig aufreißen und ihm einen Keil hineinstoßen, und zwar muß das ein Spreißel sein von dem Buchsbaumzweig, dessen du dich sonst bedienst, um dich mit Weihwasser zu besprengen. So zwingst du den Floh, artig zu bleiben. Aber bedenke wohl, daß die Disziplin unsres Ordens uns auf nichts in dieser Welt ein Eigentumsrecht gibt, du darfst also auch den Floh nicht für dich behalten. Du mußt vielmehr nicht vergessen, daß dieser Floh ein Geschöpf Gottes ist, dein Trachten muß darauf ausgehen, ihn Gott wohlgefällig zu machen. Es ist darum vor allem nötig, drei wichtige Dinge festzustellen, als da sind: ob der Floh ein Männchen ist, ob er ein Weibchen ist, und drittens, ob er noch jungfräulich ist. Nehmen wir an, er sei noch jungfräulich, was aber selten vorkommt, da diese Biester keine Religion haben und insgemein ein wahres Luderleben führen, indem sie sich von jedem greifen lassen, den nur die Lust ankommt. Du packst seine Hinterbeine, ziehst sie ihm nach oben über den Brustkorb, bindest sie mit einem Haar aus deinem Zopf zusammen, und so bringst du ihn zur Priorin, die, nachdem sie ihrerseits das Kapitel zu Rate gezogen, über den Fall entscheidet. Wenn es ein Männchen ist ...«
    »Woran kann man aber sehen, daß ein Floh jungfräulich ist?« fragte die neugierige Novize.
    »Zunächst«, antwortete Schwester Olivia, »ist er schwermütig, lacht nicht wie die andern, beißt nicht so heftig, sperrt das Maul weniger weit auf und errötet, wenn man ihn, du weißt schon wo, berührt.«
    »Da muß ich wohl von einem Männchen gebissen worden sein«, sprach die Novize.
    Darüber ein erschütterndes Lachen aller Nonnen. So heftig mußten sie lachen, daß einer unter ihnen ein Ton in b-Moll entwischte, wovon sogar der Boden feucht wurde.
    »Da seht ihr wohl«, sagte Schwester Olivia, »auf einen Wind folgt immer auch ein Regen.«
    Die Novize mußte selber lachen, sie meinte, die Schwestern hätten nur über den Knalleffekt gelacht.
    »Wenn es also ein Männchen ist«, begann Schwester Olivia von neuem, »da nimmst du deine Schere oder den Dolch deines Geliebten, wenn er ihn dir vielleicht bei deinem Eintritt ins Kloster zum Andenken geschenkt hat, kurz, du nimmst irgendein scharfes Instrument und machst ihm mit aller Vorsicht einen Einschnitt in die Lenden. Du mußt dich drauf gefaßt machen, daß er nun anfängt zu husten und zu prusten, zu würgen und zu schnappen, zu wimmern und zu jammern; schaue nicht hin, wie er sich wälzt und windet, wie ihm der Angstschweiß ausbricht, wie er dich jammervoll anfleht, oder was ihm sonst einfallen mag, um sich der heilsamen Operation zu entziehen. Beiße die Zähne aufeinander und bedenke, daß du ihm nur wehe tust, um ihn auf den Weg des Heils zu bringen. Nimm dann geschickt seine Eingeweide heraus, die Gedärme, die Leber, die Lunge, das Herz, den Kropf, die edlen Teile; das alles tauche behutsam, und zwar zu wiederholten Malen, in deinen Weihwasserkessel, sie also waschend und reinigend unter fortwährender Anrufung des Heiligen Geistes, daß das Unreine möge rein werden. Endlich bringst du den ganzen Plunder rasch, aber vorsichtig wieder in den Körper des Flohs, der ohnedies seine Geduld längst verloren hat. Derart hast du ihn getauft und einen Christen aus ihm gemacht. Nimm dann endlich Nadel und Faden und vernähe ihm sein Bäuchlein mit all der Schonung und Rücksicht, die du einem Bruder in Jesu Christo schuldig bist. Bete sogar für ihn; an seinen Kniebeugungen und an den Blicken, die er dir zuwirft, wirst du sehen, daß er nicht unempfindlich dafür ist. Er wird nicht mehr schreien und zappeln, er wird dich auch nicht mehr beißen, und .es sind schon Fälle vorgekommen, wo ein solcher Floh vor lauter Glück, zu unsrer heiligen Religion bekehrt worden zu sein, gestorben ist. Du machst es so mit jedem, den du nur erwischen und erhaschen kannst; wenn das die andern sehen, werden sie bald die Flucht ergreifen, nachdem sie sich über die Konversion ihrer Brüder nicht wenig verwundert haben, denn so eine schwarze Flohseele hat eine höllische Scheu vor dem Christentum.«
    »Das ist nicht schön von den Flöhen«, sagte die Novize.
    »Denn kann es ein höheres Glück geben, als in einem Kloster Gott zu dienen?«
    »Da hast du recht«, sprach Schwester Ursula. »Hier sind wir wohlbehütet vor allen Gefahren der Welt, besonders vor der Liebe, in der einem ganz

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