Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)
mageren Gesichts sich über Gebühr und die Nerven ihrer Schläfen sich bis zum Zerspringen spannten, mußte sich gestehen, daß es auf der Welt kein furchtbareres Übel gäbe. Als aber ihre sphinkteriale Folterspannung den letzten möglichen Grad erreichte, rief sie: ›Oh, mein Gott‹, indem sie eine letzte Anstrengung machte, ›ich opfere ihn dir!‹ Bei diesem Stoßgebet barst die steinerne Masse und kollerte wie ein Kieselstein, an der Mauer hin und wider prallend, in die Tiefe, man hörte klick, klack, plumps. Ihr begreift, meine Schwestern, daß sie kein Arschwischlein nötig hatte.«
»Und diese Heilige hat die Engel im Himmel gesehen?« fragte eine Schwester.
»Haben die Engel auch einen Hintern?« fragte eine andre.
»Aber nein doch«, antwortete Schwester Ursula: »weißt du denn nicht, daß eines Abends bei einer großen Festgesellschaft der liebe Gott in der Vergeßlichkeit den Engeln befahl, sich zu setzen, worüber sie in große Verlegenheit gerieten, worauf sie sich setzen sollten.«
Endlich gingen die guten Nönnchen schlafen, die einen allein, die andern fast allein; es waren liebe Kinder, die niemand schadeten als sich selber.
Ich kann mich auch gar nicht von ihnen trennen, ich muß noch ein Abenteuer erzählen, das sich in ihrem Kloster ereignet hat, zur Zeit, als die Reform mit dem Schwamm darüberfuhr und sie alle zu Heiligen machte, wie ich es bereits erwähnt habe.
Zu dieser Zeit saß auf dem erzbischöflichen Stuhl zu Paris ein wahrhaft heiliger Mann, der seine guten Werke nicht an die große Glocke hängte und sich um nichts sorgte als um die Armen und Leidenden, die er alle in sein Herz, das goldene Herz eines alten, frommen Bischofs, eingeschlossen hatte. An sich selber dachte er nicht im geringsten, sondern war nur immer auf der Suche nach armen Unglücklichen, um sie zu trösten mit Worten und Werken, mit Geld und guten Dingen, wie es die Umstände verlangten, und ging zu den Reichen nur in ihrer bösen Stunde, ihre Seelen aufrichtend und auf Gott hinweisend. So wachte er Tag und Nacht über die ihm anvertraute Herde und war ein guter Hirte in aller Strenge des Worts. Es focht ihn nicht an, daß sein Mantel und seine Soutane, seine Strümpfe und seine Überdenstrümpfen alt und abgetragen waren; die Blößen der Armen zu decken lag ihm näher am Herzen. Seine Mildtätigkeit ging so weit, daß er am liebsten seine eigne Person ins Pfandhaus geschickt hätte, wenn es galt, einem Nebenmenschen, und wäre er auch der ärgste Ketzer gewesen, lindernd und helfend beizuspringen.
Für ihn selber mußte seine Dienerschaft sorgen. Und oft genug schalt er und wurde ungehalten, wenn man ihm, ohne ihn zu fragen, seine alten Kleider, solange sie ihm nicht wie Zunder vom Leibe fielen, durch neue ersetzte; er ließ die alten flicken und ausbessern bis in extremis.
Diesem frommen alten Erzbischof war zu Ohren gekommen, daß der Schloßherr von Poissy seine Tochter ohne Heller und Hemd von sich gestoßen, nachdem er, sollte man es für möglich halten, ihr Erbe in Fressen und Saufen, Huren und Würfelspiel verludert und verloren hatte. Das arme Fräulein wohnte in einem elenden Loch, wo im Winter kein Feuer und im Frühling kein Sonnenstrahl anzutreffen war, und verdiente ein elendes Stück Brot durch seiner Hände Arbeit, da es sich weder unstandesgemäß verheiraten noch seine Schönheit verkaufen mochte. Schon lange dachte der hohe Prälat darüber nach, einen würdigen Gemahl für sie zu finden; da ihm das noch nicht gelungen war, hatte er den Einfall, sie einstweilen mit dem Modell eines Manns zu versehen und zu versorgen, indem er ihr jeweils seine brüchigen Unaussprechlichen zur Ausbesserung schickte, wofür das ganz und gar entblößte Mädchen ihm unendlich dankbar war. Einmal nun, als der Erzbischof bei sich überlegte, ob er nicht im Kloster von Poissy einen Besuch machen wolle, wie es die neue strenge Kirchenzucht ihm vorschrieb, trat eben Saintot herein. Diesem reichte der Erzbischof ein Paar alte Kurzhosen in bedenklichem Zustand. »Bringe das«, sagte er, »den Fräulein von Poissy.« Er hatte aber sagen wollen: dem Fräulein von Poissy. Und da all seine Gedanken auf die Sorge um das Kloster gerichtet waren, vergaß er ganz, dem Diener die Wohnung des Fräuleins anzugeben, von dem er überdies aus zarter Schonung noch nie gesprochen hatte.
Also packte der Diener die gedachten Hosen mit dem altfränkischen großen Laden unter den Arm und machte sich wie ein lustiger Zeisig auf
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