Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)
Frau und der alten Amme, wird überall schlecht empfangen, wird von einer Herberge zur andern geschickt und ist zuletzt überglücklich, in der ›Königlichen Sonne‹ unterzukommen, wo der Liebhaber seiner Frau das Feuer schürte und Gott-Amor die Suppe kochte.
Während die Ankömmlinge sich installierten, schlenderte der Edelmann im Hofe auf und ab, um vielleicht einstweilen von seiner Dame einen Blick zu erhaschen. Und nicht lange dauerte es, daß oben die hübsche Advokatin nach der Gewohnheit aller Damen ihre Nase heraussteckte und nicht ohne heftiges Herzklopfen den geliebten Edelmann bemerkte. Man denke sich ihr Glück. Und wahrlich, wenn die beiden jetzt nur eine Unze von Zeit hätten allein sein können, brauchte der Edelmann nicht lange aufsein Glück zu warten, so sehr brannte die Dame darauf, es ihm zu verschaffen.
»Oh, wie der Strahl deines Auges brennt!« seufzte sie.
Sie glaubte von den Strahlen der Sonne zu reden. Bei ihren Worten näherte sich der Advokat dem Fenster und gewahrte den Edelmann.
»Ei, mein Schatz«, rief er, »hast du das mir gesagt oder dem dort unten?« Er packte sie dabei am Arm, und wie einen Sack warf er sie auf das Bett. »Meinst du, weil ich nur eine Federspule an der Seite trage anstatt eines Degens, lasse ich Schindluder mit mir treiben? In der Spule ist auch ein Federmesser, nimm dich in acht, daß ich dir's nicht ins Herz stoße bei dem geringsten Verdacht. Den Junker da drunten, scheint mir, habe ich schon einmal irgendwo gesehen.«
»So tötet mich doch!« rief die Frau empört. »Und wahrlich, Ihr sollt mich nicht mehr anrühren nach einer solchen Drohung. Ich will Euch nicht betrügen, ich würde mich schämen; aber von heut an werde ich mir einen Geliebten und Bettgenossen suchen, der höflichere Manieren hat als Ihr.«
»Nanu, mein Mäuschen«, antwortete der Advokat ganz betroffen, »ich war ein wenig allzu hitzig. Komm, gib mir einen Kuß, und alles soll verziehen sein.«
»Nichts soll verziehen sein«, rief sie schnippisch, »laßt Euch von Eurer lieben Amme küssen, Ihr seid ein Scheusal!«
Gereizt von dieser Rede seiner Frau, wollte er sich mit Gewalt nehmen, was ihm die Advokatin verweigerte, und es entstand ein Gerauf, in dem Meister Avenelles mehr als einen blutigen Kratzer davontrug. Das schlimmste aber war, daß der verkratzte Advokat längst in dem geheimen Konventikel erwartet wurde und also wohl oder übel seine junge Frau in der Hut des alten Drachen, seiner Amme, zurücklassen mußte.
Der Federfuchser war kaum aus dem Hause, als auch schon der Edelmann, nachdem er einen seiner Diener an der Straßenecke als Wache aufgestellt hatte, wie auf Flügeln zu seiner Falltür hinaufeilte. Geräuschlos hob er sie ein wenig in die Höhe, machte seiner Dame ein leises, kaum hörbares ›Pst‹, das die Geliebte hörte mit ihrem Herzen. Denn ein liebendes Herz hört alles. Richtet also das Weibchen ihre Augen in die Höhe und erblickt kaum vier Flohsprünge über sich den Geliebten. Zugleich fallen ihr zwei dicke seidene Schnüre in die Augen mit zwei silbernen Ringen am Ende, die weit genug waren, um zwei Arme durchzulassen. Sie versteht im Nu, schiebt sich die Ringe unter die Achselhöhlen, und in weniger Zeit als einem halben Vaterunser ist sie mittels einer Winde hinaufgezogen und hinter der Falltür verschwunden, die sich geschlossen hat, als ob nichts gewesen wäre. Als da die Amme sich nach ihrer Herrin umsehen will... nichts! Nicht ein Zipfelchen ihres Kleids! Wie weggeblasen! Was war denn das? O du heilige Mutter Gottes! Konnte denn das mit rechten Dingen zugegangen sein? Sie begriff in der Sache nicht mehr als ein Alchimist von seinem Hokuspokus. Da stand sie ganz verdattert. Aber als alte Hechel war sie nicht ohne Ahnung von Fäden, groben und feinen, die hier angesponnen wurden.
In Zittern und Zagen erwartete sie den Advokaten, oder man könnte auch sagen den Tod, denn von der blinden Wut des Rasenden war alles zu befürchten. Sie mußte ihn aber wohl erwarten, denn dieser Schlaukopf Avenelles hatte bei seinem Weggehen vorsichtig die Türe hinter sich abgeschlossen und den Schlüssel in die Tasche gesteckt.
Oben aber, im besseren Jenseits der Falltüre, fand die hübsche Advokatin ein leckeres Abendmahl bereitet, fand im Kamin ein gutes Feuer und ein noch besseres im Herzen ihres Geliebten, der sie, Freudentränen in den Augen, in seine Arme schloß und auf die schönen Augen küßte, um ihr endlich zu danken für die andächtigen Blicke in
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