Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)
ihr.
Auch der gute alte Braguelongne hatte sich unterdessen seinem Unmut überlassen.
›Verfluchte alte Schachtel‹, hatte er in sich hineingebrummt, ›daß du doch den blauen Husten kriegtest, du altes Reibeisen, du zahnloser Striegel, du alter Pantoffel, du Schlappen, der an keinem Fuß mehr hält, du alte getrocknete Flunder, du ekle Spinne, du greuliche Kreuzspinne, du Totenkopf mit sehenden Augen, du Schaukelstuhl des Satans, du alte Nachtwächterlaterne, so alt, daß du Unglück bringst, wem du über den Weg läufst, du alte Vettel mit grauem Schnurrbart, du bist so alt, daß der Tod sich vor dir fürchtet, du alte Kirchenschwelle, über die tausend Knie gerutscht sind, du ausgeleiertes Futteral, du alter Opferstock, wo zwei Generationen ihr Scherflein niedergelegt haben. Was würde ich nicht darum geben, wenn ich loskommen könnte von dir. ‹
In solchen zärtlichen Gedanken unterbrach ihn die schöne Neuvermählte, der es keine Ruhe ließ, ihren jungen Gemahl in Sorgen zu wissen wegen seiner Unwissenheit in Sachen des Ehebetts. Und selber nicht ahnend, worum es sich handelte, dachte sie vielleicht ein Unglück zu verhüten und doch dem Geliebten eine große Beschämung zu ersparen, wenn sie sich selber unterrichtete, um ihn in der nächsten Nacht mit ihrer neuen Weisheit zu überraschen, wobei sie sich vorstellte, was er für ein verwundertes Gesicht machen werde, wenn sie ihm sagte: ›Nun gib acht, ich will dir's zeigen.‹ Von ihrer guten Großmama, der Altherrin von Chaumont, war ihr nichts so sehr in die Seele gepflanzt worden als die Ehrfurcht vor dem Alter. Und also hatte sie den Entschluß gefaßt, dem guten, alten, höflichen Polizeihauptmann ein wenig um den grauen Bart zu gehen und ihm ganz unvermerkt abzuschmeicheln, was sie wissen wollte. Und da war denn der Herr von Braguelongne doch fast beschämt darüber, daß er in seinem Ingrimm des geleimten Liebhabers die junge schöne Braut unartigerweise gar nicht beachtet, ihr nicht ein einziges verbindliches Wort gesagt hatte. Er wollte darum rasch das Versäumte nachholen.
»Ihr müßt recht glücklich sein«, sagte er, »mit einem so jungen und tugendhaften Ehegemahl.«
»Ja, er ist sehr tugendhaft.«
»Zu sehr vielleicht?«
Der Hauptmann lächelte.
Kurz, das Gespräch einmal eingefädelt, konnte es nicht lange dauern, daß der Hauptmann merkte, wo der Has im Pfeffer lag. Er weigerte sich auch nicht im geringsten, dem jungen Ding den Verstand aufzuschließen, die gewünschte Lektion zu geben, wenn sie ihn auf seiner Kammer aufsuchen wollte, sobald es ihr möglich wäre, sich unvermerkt von ihrem Gemahl wegzustehlen, was ihm die hübsche Frau mit vielem Dank zusagte. Auf die liebliche Musik aber, die ihm die gute Dame von Amboise nach dem Essen zugedacht hatte, hätte der Polizeihauptmann am liebsten verzichtet. Diese Melodie, in höchster Stimmlage vorgetragen, war nicht nach seinem Geschmack. Wie ein Mensch nur so undankbar sein könne, hieß es da, alles verdanke er ihr, sein Amt, sein Einkommen, die Treue eines liebenden Herzens et cetera. Eine Stunde hatte sie schon gesprochen und hatte noch nicht den vierten Teil ihres Zorns über ihn ausgeschüttet. Wie mit tausend Dolchen traf ihn ihre Zunge.
Unterdessen waren die Neuvermählten zusammen zu Bette gegangen, und ein jedes von ihnen dachte heimlich, wie es loskommen könne, um dem andern nachher eine Freude zu machen. Der Herr Gemahl kam zuerst zu einem Entschluß. Er sagte, daß es ihn heute nicht leiden wolle im Bett und daß er das Bedürfnis fühle, sich noch ein wenig in der frischen Luft zu ergehen. Die jungfräuliche Frau bestärkte ihn lebhaft in seinem Vorhaben. Er, seinerseits, konnte nicht genug bedauern, sein liebes Weibchen einen Augenblick allein zu lassen. Kurz, die beiden schlichen sich, eins nach dem andern, aus dem warmen ehelichen Bett und eilten, eins ungeduldiger als das andere, zu ihren Lehrern in der so heiß ersehnten Wissenschaft. Sie erhielten beide guten Unterricht. In welcher Methode? Das wüßte ich nicht zu sagen. Denn jeder Meister hat seine besondere geheime Praxis, und diese Kunst hat weniger feste Prinzipien als irgendeine. Ihr werdet aber glauben, daß nie ein Schüler die Regeln der Grammatik lebhafter erfaßt und schneller begriffen hat. Und so schnell als möglich kamen die Gatten in ihr Nest zurück, und wie alle Neulinge der Wissenschaft brannten sie vor Ungeduld, das kaum Erlernte auch schon zu lehren.
»Oh, mein Freund«, sagte die
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