Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)
selber warf den Dolch von sich und half der Amme ihr Werk vollenden. Den also fest Verschnürten verstopfte er den Mund mit den Bettüchern, um sie am Schreien zu verhindern, und ohne ein Wort zu verlieren, griff er von neuem nach seinem furchtbaren Dolch.
In diesem Augenblick erschien unter der Türe die Wache des Herzogs von Guise, die Avenelles suchte. In der Hitze des Kampfes hatte niemand die Soldaten kommen hören, die bereits im Gasthof alles über den Haufen geworfen hatten. Durch das Geschrei eines Pagen aufmerksam gemacht, fanden sie den Edelmann gebunden, geknebelt und wie halbtot am Boden. Sie warfen sich im Nu zwischen den Ehemann und die Verliebten, entwaffneten den Advokaten und erklärten ihm, daß sie gekommen seien, ihn zu verhaften und ihn mit seiner Frau und seiner Amme in das Gefängnis auf dem Schloß zu bringen.
Nun erkannten die Offiziere des Herzogs von Guise auch den Freund ihres Herrn, nach dem die Königin sich wiederholt erkundigt hatte an diesem Abend. Davon machten sie dem Edelmann Mitteilung und forderten ihn auf, ihnen zu folgen, weil er im Rat erwartet werde. Während der Edelmann sich aus seiner Verschnürung loswickelte und nach seinen Kleidern suchte, fand er Gelegenheit, dem Hauptmann der Scharwache ins Ohr zu flüstern, daß er ihm zuliebe und auf seine Verantwortung den Ehemann und seine Frau in getrenntes Gewahrsam bringen möge, wofür er dem Manne seine Gunst, Beförderung und nicht wenig Gold versprach, so daß dieser kaum noch schwankte, ihm zu gehorchen. Um dem Offizier mehr Vertrauen einzuflößen, erklärte er ihm den Zusammenhang der ganzen Sache und fügte hinzu, daß der Advokat seine herzige Frau unfehlbar töten würde, wenn er sie je in seine Gewalt bekäme. Zuletzt legte er dem Offizier nahe, die Frau in einem der heitersten Gefängnisräume unter denjenigen, die ebenerdig auf die Gärten hinausgingen, zu verwahren, den Mann dagegen im untersten und finstersten Loch an Ketten legen zu lassen. Der Offizier versprach, alles nach dem Wunsche des gnädigen Herrn zu tun, und dieser, der seiner Dame Gesellschaft leistete bis in den Hof des Schlosses, versicherte ihr hundertmal, daß sie als freie Witwe aus dem schlimmen Handel hervorgehen werde und daß er entschlossen sei, sie vielleicht in rechtmäßiger Ehe zur Frau zu nehmen.
Wurden also die Gefangenen untergebracht, ganz wie es der Geliebte der Frau angeordnet, der Marin in einem luftlosen Loch unter dem Boden, die Frau in einem behaglichen Kämmerlein bei den Gärten; denn der verliebte Italiener war kein andrer als Herr Scipio Sardini, ein vornehmer, sehr reicher Luccaner und, wie es bereits gesagt worden, einer der nächsten Freunde der Königin Cathérine von Medici, die damals im Einverständnis mit den Guisen das ganze Konzert dirigierte. In dem Großen Rat, der in diesem Augenblick heimlich bei der Königin abgehalten wurde, erfuhr der Italiener, um was es sich handelte und in welcher großen Gefahr der Hof schwebte. Es war in der Tat keine Minute Zeit zu verlieren, und die Herren Räte waren ratlos. Sardini mußte ihnen ein Licht aufstecken. Er überraschte sie alle mit dem Vorschlag, die Verschwörung zu ihrem eigenen Vorteil zu wenden, den jungen König im Schloß von Amboise unterzubringen, dort die verdammten Ketzer zu fangen wie den Fuchs in der Falle und sie alle niederzumachen. Also geschah es. In der Tat weiß jedermann, wie geschickt die Königinmutter und die Guisen dieses Stücklein voll listiger Verstellung durchgeführt haben, und wie der Aufruhr von Amboise verlaufen ist. Aber das gehört nicht zu dieser Geschichte.
Als dann gegen Morgen ein jeder das Zimmer der Königin verließ, wo die Nacht über mehr als ein feiner Faden gesponnen worden, hatte Signor Sardini, trotz seiner Verliebtheit in die schöne Limeuil, eine Tochter der Königinmutter und ihm durch das Haus Latour-Turenne ein wenig verwandt, seine Advokatin nicht vergessen und fragte, warum eigentlich der rotbärtige Ischariot in den Käfig gesperrt sei? Der Kardinal von Lothringen antwortete ihm, daß es nicht seine Absicht sei, dem Federfuchser auch nur ein Haar zu krümmen: weil man aber seinen Wankelmut kannte und sich nicht auf seine Verschwiegenheit verlassen konnte, habe man ihn einstweilen in Numero Sicher gebracht, von wo man ihn freigeben werde, sobald man es an der Zeit halte.
»Freigeben?« rief der Luccaner. »Steckt ihn lieber in einen Sack und werft mir den Schwarzrock in die Loire. Glaubt mir, ich
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