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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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kenne ihn, er ist keiner, der Euch seine Gefangenschaft verzeihen wird. Er wird sicher zu seinen Predigern zurückkehren. Einen Ketzer zu töten aber ist allezeit ein gottgefälliges Werk. Sein Tod ist übrigens das einzige Mittel, Euer Geheimnis zu sichern, und seine eignen Anhänger werden von Euch keine Rechenschaft über ihn fordern; denn er war ein Verräter an ihrer Sache. Wenn Ihr mich gewähren lassen wollt, ich werde seine Frau retten, das übrige wird sich geben, er soll Euch nicht mehr in den Weg laufen.«
    Der Kardinal lachte.
    »Euer Rat ist gut«, sagte er; »und damit Ihr seht, daß ich ihn zu nutzen weiß, will ich sogleich Befehl geben, die Gefangenen noch enger einzuschließen. – Holla!«

     
    Erschien der Gefängnismeister, und der Kardinal befahl ihm, jedermann
    von den beiden Gefangenen fernzuhalten, wer es auch sein möge; dann bat er Sardini, in seiner Herberge zu verbreiten, daß der Advokat von Blois abgereist und zu seinen Prozessen nach Paris zurückgekehrt sei.
    Den Offizieren, die den Advokaten verhaftet hatten, war aufgetragen worden, ihn als einen Gefangenen von Rang und Wichtigkeit zu behandeln und ihn also von den Scharwächtern weder berühren noch berauben zu lassen. So kam es, daß Avenelles noch dreißig Goldgulden in seiner Börse bei sich trug. Er wollte sie aufwenden zum Zweck seiner Rache, da er mit Recht voraussetzte, daß sie den Wächtern ein hinlängliches Argument wären und sie überzeugen müßten, wie sehr es sein gutes Recht sei, seine Frau zu sehen, nach der ihn verlangte, und sich mit dieser Frau in näheren Rapport zu setzen, die doch seine legitime Gattin war und nicht die eines andern.
    Signor Sardini traute dem Handel auch gar nicht, fürchtete von der Nachbarschaft des rothaarigen Federfuchsers die größte Gefahr für seine Geliebte und beschloß bei sich, sie noch in der Nacht zu entführen und an einen sichern Ort zu bringen. Er mietete also einen Kahn samt den Ruderern und postierte sie in einen Hinterhalt bei der Brücke; drei seiner geschicktesten Diener betraute er mit dem Auftrag, die Eisenstangen der Gefängniskammer zu durchfeilen, wo er die Advokatin gefangen wußte, sich dann der Dame zu bemächtigen und sie nach der Gartenmauer zu bringen, wo sie ihn finden würden.
    Nachdem gute Feilen gekauft und alle Vorbereitungen getroffen waren, bat der Italiener um eine Audienz bei der Königinmutter, deren Gemächer über den Gräben lagen, allwo der Advokat und seine Frau in Gefangenschaft schmachteten. Sardini brauchte die Einwilligung der Königin zu dieser Flucht, wenn nicht der ganze Anschlag im letzten Augenblick zunichte werden sollte. Er wurde auch von ihr empfangen und bat sie, ihm die Gunst zu gewähren, seine schöne Gefangene ohne Vorwissen des Kardinals und des Herzogs von Guise befreien zu dürfen. Dann setzte er ihr ebenfalls die Gründe auseinander, die es nötig machten, daß der Kardinal den Advokaten ins Wasser werfen lasse, und die Königin sagte zu allem ja und amen. In einem Gurkensalat schickte er darauf der Dame seines Herzens ein Zettelchen, das der schönen Advokatin ihre bevorstehende Witwenschaft und die Stunde ihrer Befreiung aus dem Kerker ankündigte, dessen die Bürgerin wohl zufrieden war. Durch einen geheimen Befehl der Königin wurden bei einbrechender Nacht die Wachsoldaten von den Gräben entfernt, um ein wenig nach dem Mondschein auszusehen, den man dennoch bei der Sache nicht benötigte, dann das Gitter im Handumdrehen von den geschickten Italienern abgehoben, die Dame mit einem ›Pst‹ herbeigerufen und nach der Gartenpforte dem harrenden Geliebten in die Arme geführt.

     
    Das Pförtchen aber war kaum hinter den beiden geschlossen, als die Dame ihren Mantel abwirft und sich in einen Advokaten verwandelt, einen Advokaten, der den Frauenräuber an der Gurgel packt und würgt und gegen das Wasser stößt, um ihn in der Loire zu ersäufen. Und Sardini war genötigt, sich zu verteidigen, zu kämpfen, zu rufen, aber alles, ohne sich trotz seines Dolchs losmachen zu können von diesem Teufel im schwarzen Talar.
    Plötzlich aber wurde es still. Sardini war in ein tiefes Loch von Sumpf und Morast gestürzt. Er sah noch einen Augenblick im Licht des Mondes das Gesicht des Advokaten über sich, ganz besudelt mit dem Blute seiner Frau; dann ergriff sein Angreifer, der ihn für tot hielt, die Flucht, denn schon näherten sich die Leute des Italieners mit Waffen und Fackeln. Auf dem von Sardini bereitgehaltenen Kahn entkam

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